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Björnstjerne Björnson
den alten Freunden zusammen, mit denen ich so ziemlich alle
Abend zusammen war, dem Uhrmacher Adolph Balzer, dem
wundersamen, unbehilflichen Mann, in dem tief, tief verborgen
ein Künstler steckte, und dem Doktor Stange, der ein Gelehrter
hatte werden wollen, statt dessen aber, weil Epilepsie dazwischen
trat/ nur ein verdorbener Gelehrter und Bureauvorsteher am
Kreisgericht geworden war, und die nun beide lange tot sind. Mit
denen also saß ich, nachdem wir das „Fallissement“ gesehen
hatten — denn die beiden gingen auch so ziemlich jeden Abend
ins Theater — zusammen, und ich erinnere mich, wie alle drei
merkwürdig still und schweigsam waren. Warum? — Weil
wir das Gefühl von Menschen hatten, die von einem Erlebnisse
kommen, einem neuartigen, großen. Alsdann, nach langem
Schweigen, sagte der Uhrmacher Adolph Balzer: „Björnstjerne
Björnson — was ist denn das nur für ein Landsmann —?“
Worauf der gelehrte Doktor Stange, der sich immer verpflichtet
fühlte, Unkenntnis scharf zu rügen, „aber Adolph“ sagte —
und er sagte es vorwurfsvoll — „hast du denn nicht gelesen,
daß das Stück aus dem Norwegischen und daß es ein Nor—
weger ist?“ Und nachdem er diese Rüge erhalten hatte, senkte
mein alter Freund, der Uhrmacher, seinen großen Kopf und
sagte, wieder nach längerem Schweigen: „Das müssen merk⸗
würdige Menschen sein, diese Norweger.“
In der Nacht kam ich nach Haus. Mein Haus lag an
der Oder; dicht am Bollwerk. Unmittelbar unter meinen Fen—
stern ging der Strom und der Strom ging mit treibendem Eis.
Das war ein düsteres, gewaltiges Bild. Und indem ich in
dies gewaltige Bild hinaussah — wie kam es nur? — war
plötzlich alles wieder lebendig vor mir, was ich den Abend im
Theater gesehen, gehört, erlebt hatte, das mächtige Stück, die
neue Welt; so lebendig, als wäre da etwas innerlich Ver—
wandtes gewesen zwischen dem dumpfen Getön der krachenden
Schollen, die stromhinunter dem unendlichen Meer entgegentrieben,