Persönliche Ehre und deren Schutz
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in deren Stücken oftmals über Ehre gesprochen und verhandelt
wird, und der Ehrbegriff dieser Romanen — das läßt sich nicht
leugnen — ist für uns eine abgetane Sache, mit der unser
Gefühl nichts mehr gemein hat.
Was ergibt sich daraus? Daß das Wort „Ehre“, wie es
in Shakespeares, des germanischen Dichters, Brust widerhallte,
auch in unserer noch erklingen muß, auch in uns noch nicht
tot sein kann, sondern eine lebendige Macht in unserer Seele
bedeuten muß.
Und so steht es: Ehre, wie der germanische Mensch sie
empfindet, ist im Gegensatz zur Auffassung des lateinisch- roma⸗
nischen, für den sie einen konventionellen Begriff bedeutet, eine
Sache des Gefühls, darum sprechen wir von „Ehrgefühl“.
Weil aber das Gefühl das Element ist, aus dem sich alles
Seelenleben des Germanen nährt, und weil Gefühl das eigent—
lich Unsterbliche in der germanischen Natur ist, so muß ein Be—
wußtsein, das aus diesem unseren ˖ Lebensquell hervorgeht, ein
Bestandteil alles Edelsten und Besten sein, das in uns ruht,
so muß es etwas sein, das unser Inneres heiligt, und daraus
ergibt sich uns die Notwendigkeit, dieses Heiligtum unseres
Lebens nicht veralten, nicht verkommen, nicht uns fortnehmen
zu lassen durch Mächte, die ihm entgegenstehn, sondern es in
uns fest und aufrecht zu erhalten mit allen Kräften, die uns zu
Gebote stehn.
Ehre — Ehrgefühl — aus dem Gesagten folgt, da es sich
um ein AUngreifbares, Unwägbares handelt, wie schwer es fällt,
beides mit knappen Worten zu definieren. Eine Flamme ist
Ehrgefühl, ein stetig loderndes Feuer, und unsere Seele der
Altar, auf dem das Feuer brennt. Ein unser ganzes Sein
und Wesen durchdringendes Bewußtsein, daß es neben den
geschriebenen Gesetzen des Gesetzbuches und des menschlichen
Verkehrs ein ungeschriebenes Gesetz gibt, dem wir uns ganz
so unweigerlich zu beugen haben wie jenen. In unserm eigenen