Deutschland und Frankreich
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zudrücken, Kämpfe „von Fall zu Fall“, durch besondere augen⸗
blickliche Umstände hervorgerufene, gewesen. Erst durch Richelieu
wurde die Niederkämpfung Habsburgs System der französischen
Politik. Und zur Erreichung dieses Zieles wurde ebenso syste⸗
matisch ein Mittel gewählt, das durch die damaligen Verhältnisse
an die Hand gegeben, Frankreich zunächst und auch noch für
lange Folgezeiten ungeheuere Vorteile, in letzter Konsequenz aber
den schweren Schaden von 1870 bringen sollte: Habsburg
wurde aus Deutschland selbst heraus bekämpft. Wo sich im
Innern Deutschlands Mächte und Elemente zeigten, die man
als Habsburg feindlich behandeln konnte, wurden sie von Frank-⸗
reich mit Geld, mit Waffen, mit allen erdenklichen Mitteln zum
Widerstande unterstützt. Die Zustände Deutschlands machten
eine solche Politik ja nicht nur möglich, sondern forderten sie
gradezu heraus. Die Glaubensspaltung, die schon im sech—
zehnten Jahrhundert die gegen Karl V. kämpfenden Protestanten
dahin gebracht hatte, daß sie drei deutsche Gebietsteile, die Bis—
tümer Metz, Toul und Verdün, an Frankreich verkauften, um
dessen Hilfe zu erlangen, war im siebzehnten Jahrhundert, zur
Zeit Richelieus, zu dem Ungeheuer ausgewachsen, das den
Wohlstand, die Kultur, das nationale Selbstbewußtsein, beinah
die Sprache Deutschlands verschlang, das man den Dreißig-⸗
jährigen Krieg nennt. Wenn Richelieu hiervon Gebrauch
machte, wer will es ihm verargen? Die begabtesten Deutschen,
wie ein Bernhard von Weimar, verlangten ja gar nichts Besseres
als im Solde Frankreichs gegen die Kaiserlichen zu fechten.
Wenn Frankreich eine Politik, die zu so handgreiflichen Re—
sultaten führte, unbedenklich und unbedingt zur Richtschnur für
sein ferneres politisches Verfahren machte, wer will sich darüber
verwundern? Denn handgreiflich waren die Resultate wirklich:
Der Wettstreit zwischen Habsburg-Osterreich und Bourbon-
Frankreich entschied sich in kürzester Zeit so ganz zugunsten des
letzteren, daß schon wenige Jahrzehnte nach Richelieus Tod