Path:
Faust in Weimar. Eine Beleuchtung mit Streiflichtern

Full text: Blätter vom Lebensbaum / Wildenbruch, Ernst von (Public Domain)

Faust in Weimar 
21 
Devrient herausgearbeitete des vierten Aktes ist auf der Bühne 
kaum ein zweites Mal da. Soll ich bekennen, daß mir bei dieser 
Gelegenheit ein Umstand nicht ganz verständlich war, so ist es 
der, daß die Worte des bösen Geistes: „Wie anders, Gretchen, 
war dir's“ usw., nicht von einem Geiste, sondern von Gretchen 
selbst monologisierend gesprochen wurden. Es ist nicht geradezu 
störend, klingt aber doch in ihrem Munde ein wenig zu reflek— 
tierend in Anbetracht ihres Seelenzustandes. 
Endlich der fünfte und letzte Alt. Im wilden Durch- 
einander der Brocken⸗Hexen-Szenen wirkt die gespenstische Er— 
— 
rührend und schrecklich zugleich. Es muß hervorgehoben werden, 
daß Devrient- Mephistos durchweg treffliches Spiel an dieser 
Stelle meisterhaft und groß war. Bei der Erscheinung des 
Möädchens wendet er das Haupt hinweg; die immer glatte, sichere, 
spottlustige Stimme wird rauh und unsicher — der Satan selbst 
beugt sich vor der Heiligkeit des Unglücks — den Satan selber 
graust es vor der Fülle des Wehs, das er auf dieses schöne 
Haupbt geladen hat. 
Und nun in ganz eigentümlicher phantastischer Dekoration 
die letzte, die Kerkerszene. Wir befinden uns nicht in dem ge— 
wöhnlichen Theaterkerker, sondern auf der Plattform des Turms, 
in dessen Innerem Gretchen gefangen liegt. Im Hintergrunde 
verdämmert die Stadt, wo morgen der Blutstuhl der Verlorenen 
stehen wird, auf die Plattform führt Faust die Geliebte hinaus, 
nachdem er das Kerkertor erschlossen hat; und die Turmtreppe 
reißt Mephisto ihn mit seinem: „Her zu mir“ hinab — —. 
Der Vorhang fällt und eine Welt der Schönheit ist vor— 
übergerauscht. 
Zweiter Abend, zweiter Teil. Wie viel mäkelnde Kritiker 
sind über das Unternehmen, diesen Teil auf die Bühne zu 
bringen, hergefallen — welch ein Gewinsel hat sich unter den 
Goetheforschern, Goetheverehrern und Pseudoverehrern über die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.