Faust in Weimar
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Devrient herausgearbeitete des vierten Aktes ist auf der Bühne
kaum ein zweites Mal da. Soll ich bekennen, daß mir bei dieser
Gelegenheit ein Umstand nicht ganz verständlich war, so ist es
der, daß die Worte des bösen Geistes: „Wie anders, Gretchen,
war dir's“ usw., nicht von einem Geiste, sondern von Gretchen
selbst monologisierend gesprochen wurden. Es ist nicht geradezu
störend, klingt aber doch in ihrem Munde ein wenig zu reflek—
tierend in Anbetracht ihres Seelenzustandes.
Endlich der fünfte und letzte Alt. Im wilden Durch-
einander der Brocken⸗Hexen-Szenen wirkt die gespenstische Er—
—
rührend und schrecklich zugleich. Es muß hervorgehoben werden,
daß Devrient- Mephistos durchweg treffliches Spiel an dieser
Stelle meisterhaft und groß war. Bei der Erscheinung des
Möädchens wendet er das Haupt hinweg; die immer glatte, sichere,
spottlustige Stimme wird rauh und unsicher — der Satan selbst
beugt sich vor der Heiligkeit des Unglücks — den Satan selber
graust es vor der Fülle des Wehs, das er auf dieses schöne
Haupbt geladen hat.
Und nun in ganz eigentümlicher phantastischer Dekoration
die letzte, die Kerkerszene. Wir befinden uns nicht in dem ge—
wöhnlichen Theaterkerker, sondern auf der Plattform des Turms,
in dessen Innerem Gretchen gefangen liegt. Im Hintergrunde
verdämmert die Stadt, wo morgen der Blutstuhl der Verlorenen
stehen wird, auf die Plattform führt Faust die Geliebte hinaus,
nachdem er das Kerkertor erschlossen hat; und die Turmtreppe
reißt Mephisto ihn mit seinem: „Her zu mir“ hinab — —.
Der Vorhang fällt und eine Welt der Schönheit ist vor—
übergerauscht.
Zweiter Abend, zweiter Teil. Wie viel mäkelnde Kritiker
sind über das Unternehmen, diesen Teil auf die Bühne zu
bringen, hergefallen — welch ein Gewinsel hat sich unter den
Goetheforschern, Goetheverehrern und Pseudoverehrern über die