Vandalen
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eit dem Juni 455 nach Christi Geburt ge—
nießen die Vandalen eines üblen Leumunds
bei den Menschen. In den ersten Tagen
jenes Monats nämlich meldeten die Hafen—
wächter von Ostia nach Rom: „Die Van—
dalen kommen! Ihre Schiffe liegen auf der
Reede.“ Am nächsten Tage lagen die
Schiffe nicht mehr auf der Reede, sondern am Ufer, und gelb—
haarige, langarmige, langbeinige Männer stiegen daraus ans
Land. An ihrer Spitze ging ein kleinerer, untersetzter, etwas
hinkender Mann mit äußerst klugem Gesicht, das war Geiserich,
Godegisels Bastardsohn, der Vandalenkönig.
Am nächsten Tage standen besagte gelbhaarige Männer
bereits vor Rom, und in Rom brach sofort eine mordsmäßige
Panik aus. Niemand dachte mehr an Verteidigung.
Der einzige, der den Kopf nicht verlor, war der alte
Papst-Bischof Leo, der, wie er einige Jahre zuvor den Hunen⸗
könig Attila von der Schwelle Roms gebannt hatte, jetzt auch
dem Vandalenkönig entgegentrat und ihm vorstellte, wie un—
gebildet er sei, sich an der Hauptstadt der Zivilisation zu ver—
greifen. Mit einem listigen Lächeln im schlauen Gesicht hörte
der untersetzte, etwas hinkende Geiserich ihn an, dann versicherte
er ihm, daß Rom nichts weiter geschehen solle, nur vierzehn
Tage lang wünschte er für sich und seine Leute Andenken aus
Rom mitzunehmen.
Gegen eine solche Gemütsaufwallung war nichts zu sagen,
noch weniger zu tun, und so nahmen sich denn die Vandalen
aus Rom, nahmen viel, sehr viel, wie die Römer behaupteten,
eigentlich alles. Das aber war eine Verleumdung, denn das
Tempeldach des Jupiter Capitolinus zum Beispiel nahmen
sie nur halb. Nachdem sie sich nämlich überzeugt hatten, daß
das goldglänzende Dach, das sie für eitel Gold gehalten
hatten, in Wirklichkeit nur vergoldetes Kupfer war, ließen sie,