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Furor Teutonicus
echter Sohn des deutschen Genius wie jener, der Fäuste hat, ganz
ebenso stark wie jener, mit denen er aber nicht, wie der zornmütige
Bruder es tut, das Gute erschlägt, sondern das Schlechte, Elende
und Gemeine: das ist der mächtige, lachende Kerl, der deutsche Schalk.
Denn Deutschland war einstmals ein fröhliches Land. Es
hat lachen können, herzhaft wie irgendein Volk, ja mächtiger
als alle; man lese unsere alten Schwänke, man betrachte die
Gestalten, die darin umgehen. Deutschland hat auch zu lächeln
gewußt, harmlos wie ein Kind, tränenselig wie eine bräutliche
Jungfrau — man lese unsere Volksmärchen, man lausche dem
Gesang unserer Volkslieder. Wo ist das alles hingekommen?
Über dem Gewieher der Großstädte, die importiertem Überbrettl-
witz zujauchzen, hört man das Lachen des deutschen Landes
nicht mehr. Über dem Arme-Leute-Geruch, der aus unserer
sozial⸗naturalistischen, dem perversen Sexual-Parfüm, der aus
unserer modernen Weiberliteratur dampft, hat sich das Lächeln
aus dem Angesicht Deutschlands verloren; es hat Falten be—
kommen, die es früher nicht hatte, Runzeln, in denen Miß—
mut, Ängstlichkeit und Müdigkeit wohnt. Wenn das so weiter—
geht, wird es nächstens eine Heuchlermaske tragen. „Du sollst
keinen Wein mehr trinken, du sollst nicht mehr lachen.“ Das
wird unsere Devise sein.
Wenn er doch aufwachen wollte, der Schläfer, der mächtige
lachende Kerl, der deutsche Schalk! Daß wir die Purzelbäume
seines Geistes wieder sehen könnten, die ganze Völker zum
Lachen bringen, sein Lachen wieder hörten, das vor ihm nur
einer gelacht hatte, der göttliche Schalk, Aristophanes, daß unser
Volk wieder ein freudiges Herz bekäme, das Lachen wieder
lernte, das heilige Lachen über sich selbst, daß es sich daran
gesund lachte und Nörgelei und Schimpferei und Verbitterung
und Verbissenheit sich von der Seele lachte, daß es wieder mit
frischen Augen in die Welt zu blicken und wieder begreifen
lernte, daß der Mensch in die Welt gehört, weil er ein Ding