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Furor Toutonicus
waren, die Häuptlinge jedes einzelnen Stammes. Als darauf
die Heere aneinanderprallten, gewann die Sache für die Römer
ein höchst bedenkliches Aussehen. Wie Wellenberge des Ozeans
stürmten die Haufen der Alemannen, ungeordnet zwar, aber
mit solcher Berserkerwut, so überschäumend von Kraft und
Mut jedes einzelnen Mannes, auf die lanzenstarrenden Reihen
der Römer an, daß diese mehr als einmal einen Schritt nach-
gaben und zurückwichen. Handspeer, Pfeil und Wurfgeschoß
der Ballisten wüteten zwar in den beinahe nackten Scharen und
warfen den brüllenden Ansturm wieder und immer wieder zurück.
Aber sobald sie wieder zu Atem gekommen waren und das
Blut, das ihnen vom Haupte troff, sich aus den Augen ge—
wischt hatten, setzten sie von neuem an, wieder erscholl ihr
unermüdliches Kampfgeschrei und wieder und immer wieder
sprengten die Häuptlinge, hoch zu Roß, den Stürmenden voran.
Nachdem man nun schon vom frühen Morgen bis spät in den
sinkenden Nachmittag gestritten hatte, entstand unter den Ger—
manen plötzlich ein Stocken und sodann ein wütendes Geschrei.
Als die römischen Soldaten und ihre Führer das vernahmen,
erbebte ihnen das Herz, denn sie dachten nicht anders, als daß
die Germanen sich zu einem letzten entscheidenden Vorstoße
rüsteten, und fragten sich bangend, ob sie auch dem noch Wider⸗
stand zu leisten Kraft genug besitzen würden.
Unter allen Römern aber war ein einziger, der nicht er—
blaßte, nicht erbebte, sondern im Gegenteil ein Lächeln, ein
ruhiges, beinah vergnügtes Gesicht zeigte, das war Flavius
Julianus, der Oberfeldherr selbst. Der hatte, als ein gelehrter
Mann, die Geschichte Roms und die Kämpfe der Römer mit
den Germanen seit Marius und den Cimbern und Teutonen
studiert, hatte selbst, seit er in Gallien war, mehr als einmal
mit Germanen gefochten, daher kannte er seine Leute und wußte,
was das Geschrei da drüben zu bedeuten hatte. Während da⸗
her seine Umgebung in peinvolles Schweigen versank, klopfte er