Faust in Weimar
kerung uns bot; nachdem wir gesehen, daß das Weimarer
Theater an den sechs Faustabenden vom ersten bis zum letzten
Platze ausverkauft war und ausverkauft gewesen sein würde,
wenn noch sechs solche Abende gefolgt wären. Ja, es war ein
Schauspiel im Schauspiel, und nicht das uninteressanteste, die
Zuschauer dieser Theaterabende zu betrachten. Gehen wir denn
von ihnen zur Bühne über.
Vor der Gardine, welche geschlossen vor dem ersten Teile
des Faust herabhängt, erscheint das Dreiblatt: der Theater⸗
direktor, der Dichter und die komische Person und entwickeln
ihre Ansichten über das zu leistende Schauspiel. Ein ganz
vortrefflicher Gedanke, diesen dialogisierten Prolog zu bringen.
Nichts kann in naiverer und zugleich schönerer Weise die
Spannung auf das Kommende vorbereiten, nichts in drastischeren
Umrissen den Charakter des bevorstehenden Stückes andeuten.
Man hat den Faust hundertmal gesehen und fühlt sich, wenn
man dies Gespräch anhört, vor etwas ganz Neues gestellt. —
Prolog im Himmel. Auf dem Podium der Bühne der ge—
schlossene Höllenrachen in Felsen eingelassen, zu beiden Seiten
desselben schwingen sich zwei mächtige Freitreppen um die Felsen
herum zu den Wolken empor; weit oben, in Wolken gelagert,
singen die Erzengel ihren grandiosen Schöpfungsgesang. Dann
klappt der Höllenrachen auf und Mephisto, wie ein roter Funke
von den Flammen hinausgeschleudert, hüpft die Treppe empor.
Alles wundervoll malerisch, wundervoll leicht und doch groß.
Und so wächst er nun empor, der göttliche Titane, Faust ge⸗
heißen — Aklt für Akt — nicht mehr ein an Haupt und
Gliedern verschnittener Strunk, wie er uns gegenwärtig auf den
deutschen Bühnen entgegentritt, sondern frei — gelöst die
schönen starken Glieder — atmend aus tiefer wohlklangerfüllter
Brust — da es ihm endlich einmal verstattet ist, sich in der
ganzen Fülle seiner unermeßlichen Poesie auszusprechen, da
endlich einmal kein Direktor mit der Uhr in der Hand dahinter
2
w
17