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Zum 10. März
und knasternden Atlasschleppe nicht meine, nicht die Königin
Luise ist, wie sie im Bewußtsein ihres Volkes lebt. Eine fremde,
nicht die wunderholde Frau aus dem Mausoleum, die nicht
hinein gehört in den geweihten Bezirk. Und wenn ich zwischen
ihr und dem alten Könige drüben hindurchgehe, ist mir, als
sähe er an ihr vorbei, weil er sie nicht kennt, als sähe er immer
und immer nur herüber zu dem alten, kleinen, verwitterten
Stein, und als gedächte er der Stunde, als er auf dem Bett—
rand seiner Luise saß und ihre erkaltenden Hände in seinen
Händen zu wärmen versuchte.
An der Prachtstraße Berlins, der Tiergartenstraße, durch
einen schmalen Wassergraben von ihr getrennt, liegt das kleine
Eiland, die Luisen-Insel. Ihr gegenüber, zwischen Regenten⸗
und Bendlerstraße, erheben sich die Palasthäuser des modernen
Berlin, alle Tage, um die Mittagstunde, rollt an ihr der Strom
des spazierengehenden modernen Berlin vorüber. In den
Häusern da drüben die blinkenden Spiegelscheiben sehen so aus,
als blickten sie verächtlich über den alten, grauen, mit der Urnen⸗
schale geschmückten Denkstein hinweg, von den Vorüberspazierenden
kaum einer oder der andere scheint Zeit und Gedanken übrig
zu haben, einmal die Augen zur Seite zu wenden zu dem ver—
witterten Wahrzeichen. Dann aber kommt ein Tag im Jahre,
da, wie durch einen Zauberschlag wird alles anders, das ist in
jedem Jahre der 10. März. Dann ist es, als würde der alte,
graue Stein wieder jung, er kränzt und schmückt sich mit Blumen,
und hinter ihm das ganze Gelände, bis hinüber, wo der alte
König steht, wird ein leuchtendes, wogendes Blumengefilde.
Wie wenn ein Wunder geschehen wäre, so ist es, denn am
10. März ist noch nicht Frühling, hier aber, an dieser Stelle,
dieser einzigen Stelle von Berlin ist es mit einem Male für
einen Tag Frühling geworden, für den einen Tag, an dem
vor nunmehr hundertsiebenundzwanzig Jahren dem preußischen
Volk seine Königin Luise geboren wurde.