Path:
Zum 10. März

Full text: Blätter vom Lebensbaum / Wildenbruch, Ernst von (Public Domain)

326 
Zum 10. März 
zu einer Persönlichkeit geworden, von der man kaum mehr zu 
sagen vermag, inwieweit sich ihr Bild mit dem Urbilde deckt, 
das einstmals in Fleisch und Blut gelebt hat. Der ganze In— 
begriff von Frauenschönheit und Frauentugend, von Gatten— 
liebe und Mutterzärtlichkeit, von königlicher Hoheit und könig— 
licher Pflichttreue ist unserem Volke gegenwärtig, sobald ihr 
Name genannt wird. 
Ein solches, nur im Bewußtsein noch vorhandenes Bild 
körperlich wieder zu erwecken, den schönen, schweifenden Schatten 
durch einen Denkstein, irgendein sichtbares, greifbares Zeichen 
an den Raum zu bannen, wo der Leib gewandelt war, das 
war ein wohl begreifliches, der menschlichen Natur entsprechendes 
Bedürfnis. 
Ihm ist auf zweierlei Weise Genüge geschehen, in großer 
und in bescheidener, in erhebender und in rührender Art. 
Dem Bildhauer Christian Rauch war es vergönnt, dem 
preußischen Volke seine „heilige Frau“ zu schenken, indem er 
da draußen im Mausoleum zu Charlottenburg die zu Staub 
gewordene Gestalt im Marmor wieder auferstehen ließ. Wenn 
je ein Kunstwerk Zeugnis dafür abgelegt hat, daß die schaffende 
Phantasie des großen Künstlers überirdischen, von geheimnis— 
vollen Quellen genährten Ursprungs ist, so ist es in diesem 
Bilde der schlummernden Königin geschehen, über dem die Luft 
zu zittern scheint, wie bewegt vom Hauche des herrlich⸗lieb— 
lichen Weibes, wie durchflüstert von den unausgesprochenen 
Worten der Tausende und Abertausende, die im Laufe der 
Jahre und Jahrzehnte an das Bild herangetreten sind und in 
Andacht davor gestanden haben. 
Das ist das große, um es so zu bezeichnen, heroische An— 
denken, das wir von unserer Königin Luise besitzen — aber 
daneben gibt es noch eines, ein viel kleineres, unendlich kleines, 
viel bescheideneres, unendlich bescheidenes, aber in seiner Klein— 
heit und Dürftigkeit unendlich rührendes Andenken an sie, das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.