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Zum 10. März
zuzudrücken, denn der letzte Atem war entflohen. — Ach, das
Schluchzen und Weinen des unglücklichen Königs, der Kinder
und aller, die umher knieten, war schrecklich. Der König, die
Kinder, der Staat, der Hof, alle, ja alle haben alles auf der
Welt mit ihr verloren.“
Die Königin, von der hier gesprochen wird, war Luise,
Königin von Preußen, und Prinz Wilhelm, der mit dem
Vater gekommen, war der, welcher achtundsiebzig Jahre später
als unser alter Kaiser Wilhelm den Weg gehen sollte, den da—
mals die Mutter ging. Die Worte, die ich hier anführe, sind
geschrieben von einer Frau, die ihrer Etikettenstrenge wegen
bekannt, beinah spöttisch berühmt war; aber so furchtbar war
in jener Stunde das menschliche Leid, daß auch in dieser strengen,
starken Frau Etikette und Konventionalität unter der Last des
Schmerzes zerbrach, daß sie für den Ausdruck ihres Gefühls
Worte fand, die in ihrer aus dem Herzen dringenden Wahr—
haftigkeit noch heut jedes Menschenherz erschüttern. Und weil
dem allen so war, weil in jener Stunde dieser König so „un⸗
glücklich“ war, das urewige Menschenleid, das vom geliebten
Menschen scheiden heißt, so mit aller Gewalt zu tragen hatte
und so mit brechendem Menschenherzen trug, darum wurde
diese Stunde zum Ausgangspunkt für die große, tiefe, nie ver—
löschende Liebe, die von da an bis an seinen letzten Tag das
preußische Volk an diesen seinen König, an Friedrich Wil-
helm III., knüpfte. Denn das preußische Volk ist deutsches
Volk, der deutsche Mensch ist der menschlichste Mensch, darum
kann er seine Könige nur verehren, wenn er sie liebt, er kann
sie nur lieben, wenn er in ihnen das Wahrzeichen des Menschen⸗
tums, das menschlich fühlende Herz erkennt, und wenn dieses
Herz den Gang des seinigen geht.
In ihrem Tagebuche schreibt die Gräfin Voß dann unter
dem 20. Juli weiter:
„Sie ist fast gar nicht verändert; sie wurde geöffnet und