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Ein Wort über Weimar
Entschließung zu warten, bis daß die Entscheidung des Groß-
herzogs über seinen Einzug in Weimar endgültig feststand. Liest
man das Rundschreiben genau durch, so findet man darin eine
Stelle, die in ihrer Unklarheit einen beinah zweideutigen Ein—
druck erweckt. Gleich im ersten Satze heißt es daselbst: „Der
Einzug des Großherzogs und der Großherzogin findet in Wei—
mar in der Woche vor oder nach Pfingsten statt.“ Wenn
der Einzug vor Pfingsten stattfand, dann lag absolut keine
Veranlassung vor, den Goethe-Tag zu verschieben, dann wären,
wenn am Sonnabend und Sonntag nach Pfingsten die Mit—
glieder der Goethe-Gesellschaft zusammengekommen wären, längst
alle Deputationen und sonstigen Einzugsgäste wieder aus Wei—
mar fortgewesen und die Goethe-Gesellschaft hätte reichlich
Unterkommen gefunden. Also, was soll dieser Satz? Wie ist
er zu verstehen? Etwa so, daß die Verschiebung des Goethe—
Tages eine unter allen Umständen beschlossene Sache war?
Dann fragt man sich staunend „warum“. Dann kommt man
zu Schlußfolgerungen, die ich hier nicht bis ins einzelne aus—
führen will, weil sie zu unangenehm sind, die aber jeder, der
meine obigen Ausführungen gelesen hat, sich selber machen kann,
Schlußfolgerungen, die dem Vorstande der Goethe-Gesellschaft
vielleicht Unrecht tun, die er sich aber selbst zuzuschreiben hat,
wie jeder, der in einer Sachlage, wo nur offenes, unum—
wundenes Sprechen zur Klarheit führen kann, sich hinter Halb—
heiten und Unklarheiten deckt.
Nun aber weiter. Nachdem einmal der Goethe-Tag auf
den Sonntag vor Pfingsten verlegt war, warum mußte dann,
wie es geschehen ist, der Festvortrag abbestellt werden? Der
Vorstand erklärt diese Maßnahme in seinem Rundschreiben da⸗—
mit, daß, bei der Verrückung des Goethe-Tages kurz vor die
Pfingstferien, vielen der Mitglieder der Besuch der Versamm—
lung erschwert und der Besuch überhaupt beeinträchtigt sein
dürfte. Diese Erklärung erscheint mir dürftig. Weimar ist