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Ein Wort über Weimar

Full text: Blätter vom Lebensbaum / Wildenbruch, Ernst von (Public Domain)

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Ein Wort über Weimar 
Es kam dann der traurige Tag, an dem von den zwei 
fürstlichen Persönlichkeiten nur noch die eine, der alte Groß— 
herzog Karl Alexander erschien, wenige Jahre darauf der noch 
düsterere Tag, an dem auch sein Platz leer blieb. Und nun 
im darauf folgenden, im vorigen Jahre 1902 geschah etwas, 
was noch nie geschehen war, solange die Goethe⸗-Gesellschaft 
besteht, es erschien zu ihrer Versammlung überhaupt kein Groß- 
herzog von Weimar mehr; zum ersten Male seit ihrem Be— 
stehen tagte die Goethe-Gesellschaft ohne ihren Protektor. Über 
die Mißstimmung, die das Fernbleiben des jungen Großherzogs 
hervorrief, versuchte man hinwegzukommen, indem man von 
Abhaltungsgründen sprach, die ihn ferngehalten hätten — aber 
es war ein Scheintrost; jedermann wußte, daß nichts vor— 
gelegen hatte, was sein Kommen verhindert hätte. Er hatte 
nicht kommen wollen. 
Unter diesen Umständen blieb nur die Hoffnung auf das 
nächste, das gegenwärtige Jahr 1903, nur die Hoffnung übrig, 
daß der junge Großherzog die Worte, die die Goethe⸗Gesell⸗ 
schaft in ehrerbietiger aber verständlicher Form an ihn gerichtet 
hatte, ihn seiner Stellung als Protektor erinnernd, hören und 
vernehmen würde. Im Winter verlobte sich der Großherzog 
Wilhelm Ernst mit der Prinzessin Karoline von Reuß. Die 
Freude über das schöne Ereignis erhielt einen noch besonderen 
Einschlag durch die Nachricht, daß die junge Fürstin rege lite⸗ 
rarische Interessen mitbringe. Nun glaubte man einer fröh— 
lichen Wiederkehr, gewissermaßen einer Wiederauferstehung des 
Goethe-Tags entgegensehen zu dürfen. Man sagte sich, daß 
es keine raschere, glücklichere Einführung der jungen Großherzogin 
in die literarischen Verhältnisse des Weimarer Landes geben 
könne, als indem sie unmittelbar nach ihrer Vermählung mit 
den Mitgliedern des Goethe-Tags, in dem sich doch nun einmal 
das literarische Leben Weimars symbolisch verkörpert, persönlich 
bekannt gemacht würde, man sah sich im Geiste als „Familie
	        
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