Ein Wort über Weimar
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ch bin wieder einmal in Weimar gewesen und
freue mich, daß ich dort war. Wenn ich
Arzt wäre, würde ich meine Patienten nicht
immer nur nach Karlsbad oder Marienbad,
nach Kissingen, Nauheim, Homburg und wie
die Bäder alle heißen, ich würde sie nach
Weimar schicken. Es weht dort eine starke
und kräftige, eine Höhenluft, die dem Körper gut tut, und zu—
gleich eine weiche, stille, eine Feiertagsluft, in der die Seele
sich wohl fühlt. Wie sich das beides vereinigt? Ja — das
ist eben das Geheimnis von Weimar. Denn dieses Gewirr
von Häusern und Häuschen, das sich vor den Augen des Be—
suchers, der aus dem Bahnhof hinaustritt, durch die freund⸗
liche, mit grünenden Bäumen bepflanzte Sophienstraße in sanftem
Abstieg zum Ilmtal hinuntersenkt, diese kleine und große, lustige
und nachdenkliche, alte und immer junge, eigentlich nicht schöne
und überall so bezaubernde Stadt, dieses Weimar, ist eben der
Widersprüche voll, wie das ganze widerspruchsvolle Deutschland,
geheimnisvoll wie dieses, ja in dem sonderbaren Deutschland,
das fortwährend kopfschüttelnd über sich selber grübelt, heut wie
vor hundert Jahren das kompakteste, das größte Geheimnis.
Und ijetzt, als ich dort war, hatte es seine gute Stunde:
Der Frühling war über die Thüringer Hügel geschritten, von
Schwalben umflattert, deren Jauchzen sich anhörte, als riefe eine
der anderen „die Iim! die Ilm!“ zu, und hatte seinem lieben
Töchterchen, der guten Stadt Weimar, ein leuchtendes Gewand
über die Schultern gehängt! Im Park duftete der Faulbaum
und der Flieder, und aus den Gärten im Innern der Stadt —
deren sind viele — aus den Gärten rings um die Stadt her—
um — deren sind unzählige — wie Schneewolken, die aus der
Erde dampfen, quollen die blühenden Apfelbäume, mit weißem
Flockenschwall übergossen.
O Weimar, du holdseliges Nest! Wie ein rotwangiges
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