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Auf den Trümmern von Akragas. Eine Mär

Full text: Blätter vom Lebensbaum / Wildenbruch, Ernst von (Public Domain)

288 Auf den Trümmern von Akragas 
geben. Dann aber sage und verkünde ich dir von deinen Werken, 
daß sie nicht Steingebilde nur sein, sondern daß sie leben werden, 
als lebendige Wesen, ein geheimnisvolles, wunderbares Leben, 
und nicht ein kurzes Dasein nur, wie die Menschen es leben, 
das, wenn es hoch kommt, hundert Jahre dauern mag, sondern 
ein Leben von vielen Hunderten von Jahren, ja von Jahr—⸗ 
tausenden, in die unabsehbare Zukunft hinaus.“ 
Als aber der Meister so gesprochen hatte, schlang sich 
der Knabe mit beiden Armen um ihn, so daß sein Herz am 
Herzen des Meisters schlug. „Laß mich dahingehen und ver— 
gehen,“ sagte er; „laß mich verschwinden und unsichtbar werden 
und unbekannt bleiben und von niemandem gesehen und genannt, 
aber meine Werke laß sichtbar bleiben und leben von meinem 
Leben, so wie du es mir verkündet hast, in die unabsehbare 
Zukunft hinaus.“ 
Und alsdann so dauerte es nicht lange, und wie brausende 
Meerflut kam es durch die Gassen heran, zum Hause des Em— 
pedokles kam das ganze Volk von Akragas. 
Als sie aber vor das Haus kamen, standen Türen und Tore 
des Hauses offen, daß ein jeder eintreten konnte, und als sie 
eingetreten, war das Haus leer, kein Mensch darinnen, und 
nichts als das Bildnis der Aphrodite und die steinerne Gestalt 
des Giganten. Vor dem Bild der Aphrodite aber, sowie vor 
der Gestalt des Giganten war feinkörniger Sand geschüttet, und 
in den Sand war ein Vers geschrieben; vor jedem der beiden 
Bildwerke der gleiche, der lautete: 
Fragt nicht, wer mich erschuf — nicht geschaffen, ich wurde 
geboren. 
Und so wunderbar waren Schönheit und Herrlichkeit der 
beiden Bildwerke, daß anfänglich kein Wort ertönte, sondern 
alles in lautlosem Schweigen stand. Dann aber, nach einiger 
Zeit, brach ein Freudenschrei aus, ein so ungeheuerer, daß es
	        
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