Auf den Trümmern von Akragas
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dessen Augen lag die Vergangenheit wie eine von Sternen
durchleuchtete Nacht und die Zukunft wie ein von der Sonne
des Gedankens verklärtes Land, in dessen Adern rollte das
Leben schaffende Blut der Erde, und als sie die Erde be—
schritten, ging in ihrer Mitte mit verhüllten Gliedern und
verschleiertem Gesicht eine Gestalt, die bis dahin noch nie auf
Erden gesehen worden war, deren Antlitz zu entschleiern, deren
Glieder zu enthüllen, das Werk ihres ganzen Erdenlebens
ward, das war die Schönheit.
Da geschah es an einem Tage, als die Sonne in dem
unendlichen Lachen“ des Jonischen Meeres sich badete, daß
über den Fluten dieses Meeres, vom Morgen herkommend, eine
Schar von dreieckigen Segeln auftauchte, die allesamt den
gleichen Gang steuerten, auf die dreieckige Insel, Trinakria—
Sizilien zu. Das waren Männer des hellenischen Volkes, die
eine neue Wohnstätte suchten an den Ufern des Meeres, das
um ihre Kindheitswiege gerauscht und ihnen Verheißungen von
fernen, noch schöneren Ländern zugeflüstert hatte. Fröhlicher
Lärm war auf den Schiffen, Schwatzen und Lachen, Flötenspiel
und Geschrei, denn die Hellenen waren kein leise tretendes und
leise redendes Volk. Als aber die Schiffe dem Ufer sich näherten,
geschah etwas Merkwürdiges: das Geschrei verstummte, und
statt des Lärms entstand lautlose Stille. Denn als die Männer
diese Landschaft erblickten, die die Natur vor ihren Augen auf—⸗
gebaut hatte wie den Hintergrund eines gewaltigen Theaters,
auf dem sich Dramen abspielen sollten von nie dagewesener
Pracht und Herrlichkeit, Lieblichkeit und Furchtbarkeit, da fühlten
sie, daß die Stunde gekommen war, in welcher der Mensch
verstummt, die Schicksalsstunde, darum versagte ihnen der Atem
und sie wurden stumm. AUnd daher, daß plötzliche Stille ward,
mag der Name gekommen sein, den die Stadt später trug;
denn weil in der Sprache der Hellenen das Geschrei Kraugé
(eoavuyn) hieß, und plötzlich kein Geschrei mehr war, so sagten