Das kote Haus am Bodensee
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Menschen, wenn sie abgeblüht haben, nicht wiederkehren, wie
die Blumen es tun.
Das Haus, von dem ich spreche, steht über dem Bodensee
auf Schweizer Seite, so daß man von seiner Schwelle hinunter—
blickt auf den Spiegel des Sees, das gegenüberliegende Gelände
und das auf dem Wasser schwimmende Lindau, im Lande Ap—
penzell, da, wo dieses zwischen Rorschach und der Talebene
des Rheins sich wie ein großes, weitgebauschtes Kissen von
grünem Sammet emporwulstet. Auf der Höhe des Wulstes
liegt ein freundlicher Ort, der heißt Heiden, und wenn man
durch die Gassen dieses Ortes hinausgeht, bis dahin, wo die
Straße nach Rorschach hinunterbiegt, kommt man an ein ein—
sames Haus, vor dem man stehen bleibt, weil es anders aussieht
als die anderen Häuser. Denn seitdem in den dreißiger Jahren
des vorigen Jahrhunderts das alte Heiden abgebrannt, ist ein
neues entstanden, mit modernen, schweizerischen Häusern, die
wohl sauber und heiter, für meine Empfindung aber ohne rechte
Individualität sind, weil sie zu viel Fenster haben, einen inter⸗
nationalen, mehr oder weniger französelnden Charakter aufweisen,
wie denn auch das Brot, das man daselbst zu essen bekommt,
an das für meinen deutschen Gaumen schreckliche, schwammige
französische Weißbrot erinnert. Da draußen aber, am Ror—
schacher Wege, das einsame Haus, wenn man davor steht, fragt
man sich, wer mag das hier erbaut, das hier bewohnt haben?
Aus dem Grundstock eines gewöhnlichen Schweizer Bauernhauses
ist ein Gebäude herausgewachsen, einfach zwar von Holz, mit
Schindeln bekleidet, wie die andern, aber dennoch so anders,
ganz anders als die übrigen. Die Wände des Hauses in
symmetrischer Abmessung von Fenstern durchbrochen; über den
Fenstern, wie Wimpern über schönen Augen, lang und schlank
ausladende Fensterdächer. Die Eingangspforte mit dickem,
schwerem Rankengrün umsponnen, und von Grün umrankt auch
die Söller, die sich an der Mittagsseite des Hauses in zwei