234 Die neue Verordnung über den Schillerpreis
des Schillerpreises schließlich doch als eine staatliche Veran—
staltung und die Schillerpreis-Kommission als diejenige Be—
hörde anzusehen, die eigentlich den Preis erteilte. Man übersah,
daß nicht der Staat, sondern der König persönlich den Preis
verlieh, indem man vergaß, wenn man es überhaupt gewußt
hatte, daß er den Preis aus seiner Tasche hergab.
So lagen die Verhältnisse, als Kaiser Wilhelm II. zur
Regierung kam. So lagen und blieben sie wenigstens äußerlich:
An dem Patent von 1859 wurde nichts geändert, die Kom—
mission wurde nach wie vor alle drei Jahre vom Kultusministerium
zusammengestellt, prüfte Stücke und machte Vorschläge. Das
Publikum, das nicht genauer zusah, konnte glauben, es sei
alles beim alten. Innerlich aber hatte sich eine Anderung voll⸗
zogen, eine sehr bedeutsame, beinahe entscheidende. An die
Stelle des alten Herrn war ein junger getreten, der die Eigen—
schaften der Jugend, Selbstbewußtsein, Temperament, zugreifende
Kraft der Entschließung nicht nur im allgemein üblichen, son—
dern in ganz außergewöhnlichem Maße mit sich brachte. Außer—
dem trat Kaiser Wilhelm II. allen Kunstfragen, namentlich dem
Drama, von vornherein mit einer sehr entschiedenen, beinahe
leidenschaftlichen, nur der eigenen Eingebung gehorchenden,
von niemandem beeinflußbaren Überzeugung gegenüber.
Die Folgen hiervon konnten nicht ausbleiben und machten
sich alsbald darin geltend, daß von nun an die Persönlichkeit
des Königs wieder in den Vordergrund trat. Kaiser Wilhelm II.
sah in sich, und ausschließlich in sich selbst denjenigen, dem es
zukam, den Schillerpreis zu erteilen, in der Kommission aber
nur eine Vereinigung von Sachverständigen, deren Vorschläge
er anhörte, ohne daß er sich dadurch zur Gutheißung verpflichtet
fühlte, über deren Gutachten hinweg er vielmehr sein eigenes
Ermessen zu Rate zog.
Hieraus entstanden dann die sattsam bekannten Vorgänge,
daß der Kaiser die Vorschläge der Kommission zu wiederholten