Großherzog Karl Alexander
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ich sehe ihn, wie er aus der Behausung des Dichters heraus-
kommt, der Jüngling, eigentlich noch Knabe, das Haupt im
Nachdenken gesenkt unter dem Lebenswort, das der große
Lebenskünder ihm mitgegeben hat, das Wort in sich herum—
wälzend, immer wieder, immerfort, bis es endlich Fuß faßte in
seinem Innern und Wurzel schlug, bis aus der Wurzel, wie
die Blüte, das Verständnis herauswuchs, das nun sein ganzes
Denken erfüllte und überwältigte, so daß es zum Wahrspruch
wurde, den er über sein Leben schrieb.
Denn der Leitspruch seines ganzen Lebens, das ist ihm
dieses Goethewort geworden; das ist gewißlich wahr. Das
Erbe „zu erwerben“, das ihm die Väter hinterlassen hatten, in
dem Sinne zu erwerben, daß er es erweiterte und vermehrte,
das ist die Aufgabe gewesen, der er sein Leben lang gedient
hat, mit allem Ernst eines ernsten, mit aller Treue eines deut⸗
schen Menschen; und jetzt, da er vollendet, dürfen wir es aus—
sprechen: Er hat seine Aufgabe vollbracht.
Eine Aufgabe innerlichster Art, die darum nicht nach Regel
und Gesetz, sondern nur aus dem Instinkt heraus gelöst werden
konnte, aus dem Instinkt einer dazu befähigten, berufenen Per—
sönlichkeit. Eine Tätigkeit, die anscheinend mit der Politik nichts
zu tun hatte, die vielmehr der Beschäftigung eines großen Guts⸗
herrn ähnlich sah, der darauf ausgeht, sich sein Leben und die
Umgebung, in der sein Leben sich bewegt, geistig auszu—
schmücken und künstlerisch zu verschönen. Aber wenn sich die
berufene Persönlichkeit nicht gefunden hätte, wenn die Arbeit
nicht geleistet worden wäre, so hätte das nicht für Weimar
allein, sondern für das gesamte Deutschland einen Schaden,
einen schweren politischen Schaden bedeutet. Gerade jetzt kommt
uns das zum Bewußtsein, gerade jetzt muß es betont werden,
wo infolge der Taten von 1870 und der Ereignisse, die darauf
folgten, die Machtstellung Deutschlands gegenüber der Welt
eine so völlig andere als früher geworden ist. Gerade in der