218 F Großherzog Karl Alexander
dieses gewaltige Stück Vergangenheit, die der gewöhnliche
Mensch wohl als einen Besitz, aber doch wesentlich nur als das
Inventarstück eines Museums oder Antiquitätenkabinetts emp⸗—
findet, das alles ist noch einmal in einem Menschen unserer
Zeit, der mit uns gelebt und gewirkt hat, volle, zusammen⸗
geraffte, lebendig wirkende Gegenwärtigkeit gewesen. Nicht
Reminiszenz, sondern reale Wirklichkeit, nicht totes Kapital,
sondern fruchtbare, immer neue Keime treibende Erde. Dieser
merkwürdige Mensch, der das vermocht, diesen Reichtum in sich
besessen, dieses große Bild immerfort vor Augen gehabt, der
aus dem großen Anblick täglich neue Verpflichtung und neuen
Mut geschöpft hat, Verpflichtung, weiter zu schaffen an dem
überkommenen Besitz, und Mut, daß er Herr werden würde
seiner Verpflichtung, dieser Mann, den, solange er lebte, nur
wenige ganz verstanden und gewürdigt haben, den aber jetzt
alle Deutschen als einen der besten, wertvollsten und bedeutendsten
Männer erkennen werden, die das neunzehnte Jahrhundert
ihnen geschenkt hat, dieser Mann ist Karl Alexander gewesen,
der Großherzog von Weimar.
Manchmal habe ich mir das Bild ausgemalt, wie es wohl
gewesen sein mag, wenn der damals noch jugendliche Erbgroß-
herzog Karl Alexander zu dem alten weisen Mann gekommen
ist, der da am Frauenplan in Weimar, oder draußen am Park
in seinem Gartenhause wohnte, wie er ihm in die Augen ge—
blickt, was er zu ihm gesagt haben mag, der alte Goethe dem
jungen Enkel seines dahingegangenen Lebensgefährten und Herrn,
seines Karl August. Ob er ihm da wohl das Wort gesagt
haben mag, von all seinen weisen Worten das weiseste, das
wir nur noch lesen können, wie es geschrieben steht, ob er es
zu ihm noch gesprochen haben mag mit dem Lebensklange des
lebendigen Mundes: „Was du ererbt von deinen Vätern hast,
erwirb es, um es zu besitzen.“
Meine Vorstellung kommt von dem Bilde nicht hinweg;