Broßherzog Karl Alexander
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inf Monate und sechs Tage vor Vollendung
des dreiundachtzigsten Lebensjahres starb in
Weimar Goethe; fünf Monate und neunzehn
Tage vor Vollendung des dreiundachtzigsten
Lebensjahres ist in Weimar Großherzog Karl
Alexander gestorben.
Eine Außerlichkeit, wenn man will, und
ein zufälliges Zusammentreffen — aber auf unsere Empfindung
wirkend, wie eine vom Schicksal gefügte tiefe Symbolik.
Bis auf den Tag beinah gleich alt geworden beide Männer,
von denen der eine noch vor wenigen Tagen wie ein lebendes
Denkmal des anderen vor uns stand, als der letzte vielleicht
von allen Deutschen, der da sagen konnte: „Ich habe ihn noch
gesehen, sein Wort noch gehört,“ beide dahingegangen an dem⸗
selben Ort, nun vereinigt in derselben Gruft, in der Gruft, die
ein wahrhaft edles Geschlecht dort errichtet hat, um zu bergen
die Fürsten des Landes, die von Geburt und die vom Geist,
und mit ihnen niedergelegt in der schweigenden Tiefe die Er—
innerung an eine Zeit — nicht die Erinnerung nur, die Zeit
selbst, eine Zeit, die da war, nicht mehr ist und nicht wieder⸗
kehren wird. Denn dies Gefühl ist der schwarze Schatten, den
die Trauerkunde aus Weimar über Deutschland und die deut—
schen Seelen wirft, dies Bewußtsein ist es, was unsere Herzen
erschüttert, daß wir mit diesem Tode nicht nur einen verehrten
und geliebten Menschen verloren haben, sondern daß dieser
Hingang eine Epoche bedeutet, einen Abschnitt in unserer Ent⸗
wicklung, einen Tag, wo etwas zu Ende geht, das wir nun
verlieren, wo etwas anfängt, das wir uns erst erwerben sollen.
Was uns verloren geht, das sehen wir, fühlen und begreifen
wir nur zu genau — was uns gegeben werden wird, davor
stehen wir mit dumpfer Frage; denn wir messen im Geiste die
Mächte, die damals Leben schufen, mit den Kräften, die heut
dazu berufen sind, und ein Zweifel beschleicht uns, nach welcher