Am Matthäikirchplatz
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du, und ein Quellenerforscher, und wenn du mit dem Tranke,
den du geschöpft hast, herantrittst an die Heerstraße, dann bleiben
die Menschen stehen und trinken von deinem Tranke, und laben
sich daran, dann empfangen sie aus deinem Tranke das Be—
wußtsein, das hinaushebt über Jammer und Not des Augenblicks,
und das Alltagsleben ertragbar macht, das Bewußtsein vom
weisheitsvollen Zusammenhange aller Dinge, vom ersten Tage
bis auf den heutigen.
„Und sie bleiben stehen, die Menschen, in immer größerer
Zahl bleiben sie stehen, um zu trinken von dem, was du ihnen
bietest; sie danken dir, Herman Grimm, in deutscher Sprache
danken sie dir, in englischer und französischer, in allen Sprachen
der kultivierten Welt. Und weil Berlin deine Heimatstadt ge—
worden ist, seit langen Jahren, so komme ich, der Genius deiner
Heimatstadt, und sage dir, ich bin stolz darauf, daß du zu den
Meinigen gehörst. Zu deinem zweiundsiebzigsten Geburtstage
sage ich dir, bleibe bei uns, Herman Grimm, so wie du bei
uns gewesen bist, noch lange, wir brauchen dich. Bleibe du
einsam in deinem heiligen Schweigen, in deinem lautlosen
Zwiegespräch mit den großen Geistern aller Zeiten, damit, wenn
du den Mund auftust und uns verkündest, was du von ihnen
erfuhrst, die Menschen sich inne werden des Worts: ‚Nur
die schweigenden Seelen vernehmen das Geheimnis der Welt.“
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