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Am Matthäikirchplatz
setzen zuwege gebrachte Kunst aufstellen, daß dies eben Menschen
sind, die nicht fühlen und wissen, daß derjenige der größte
Künstler ist, der das ewige Kunstgesetz am tiefsten in sich emp⸗
findet, und gar nicht anders kann, als ihm zu folgen.“
Nachdem Herr Feinohr diese Rede über sich hatte dahin—
gehen lassen, machte er noch einmal einen schüchternen Versuch,
davonzukommen.
„Ich will wirklich,“ stammelte er, „sogleich zum Buch—-
händler gehen.“
Aber der Inquisitor war unerbittlich.
„Und seine Fragmente,“ fuhr er fort, „die er jetzt eben
hat erscheinen lassen? Haben Sie die auch nicht gelesen? Hm?“
Ein abermaliges beredtes Schweigen trat von seiten Herrn
Feinohrs ein.
„O ihr Dickhäuter!“ sagte Genius loci ingrimmig. „Das
Buch ist eine Weihnachtsgabe, die der Mann dem deutschen
Volke auf den Weihnachtstisch gelegt hat, und ihr seid zu geistig
träge, danach zu greifen! Wenn Ihre Skatabende Ihnen keine
Zeit, und Ihr inneres Philistertum Ihnen keine Lust übrig
läßt, das ganze, große, wertvolle Buch zu lesen, so lesen Sie
wenigstens die Einleitung. Dazu haben Sie Zeit, dazu müssen
Sie Zeit, müssen Sie Lust haben! Diese Einleitung enthält
ein Selbstbekenntnis des ausgezeichneten Mannes, aus dem man
ihn lieben und verehren lernt, wenn man es bis dahin nicht
getan hat. Ein Bekenntnis über den Entstehungsgang seiner
Schriften, über sein Lebenswerk; ein herrliches Bekenntnis, denn
man erfährt daraus, daß alles, was uns früher in seinem
Schaffen vielleicht sprunghaft erschien, nicht sprunghaft war in
Wirklichkeit, daß es Wellen gewesen sind, die der volle, mächtige
Strom hier und da über die Ufer warf, daß es aber stets der
eine, selbe große Strom gewesen ist, aus dem sie entstanden, in
den sie zurückgegangen sind, ein ununterbrochener Strom nie
rastender großer und liebevoller Gedankentätigkeit.