Am Matthäikirchplatz
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hören ja, die Herren sind an der Arbeit. Und ich will es
wohl mit dem Polizeipräsidenten, auch mit dem Oberverwal—
tungsgericht und unter Umständen sogar mit einem Minister
aufnehmen — aber mit einem Professor, den ich in der Arbeit
störe — das nicht! Nein, das nicht!“
Unterdessen war Genius loci mit dem Fremdling bis an
die Ecke gelangt, wo die Margaretenstraße in den Maͤtthäi—
kirchvlatz mündet.
„Sie haben Glück,“ sagte er plötzlich, „da kommt er.“
„Wer?“ fragte Herr Feinohr.
„Von all den merkwürdigen Männern dort am Platze
der merkwürdigste,“ entgegnete der Genius, und er zeigte die
Matthäikirchstraße hinunter nach dem Tiergarten zu, von wo
ein Mann die Straße herauf kam.
Dieser Mann war alt, lang und hager. Er hatte einen
weißen Vollbart, scharfe und bedeutende Züge, eine ziemlich
große, gebogene Nase und sinnende, gedankenvolle Augen, die
aber etwas düster blickten. Er trug den Oberleib etwas vornüber
gebeugt und bewegte sich mit lässigem, beinah etwas schleppen⸗
dem Gang.
„Wer ist das?“ fragte Herr Feinohr mit kleinstädtischem
Eifer, als er bemerkte, daß der Genius von Berlin eine tiefe,
respektvolle Verbeugung vor dem vorüberschreitenden Manne
machte, eine Verbeugung, die dieser nicht erwiderte, weil er sie,
mit seinen Gedanken beschäftigt, gar nicht bemerkt zu haben
schien. „So ist er nun,“ sagte der Genius von Berlin mißmutig,
„man bringt ihm Verehrung dar und er bemerkt es gar nicht.“
„Aber wer ist es denn?“ wiederholte Herr Feinobr beinahe
zudringlich seine Frage.
enius loeci sah ihn von oben herunter an.
„Mein werter Fremdling,“ sagte er, „Sie sind aber beinah
unerlaubt fremd in Berlin; kennen Sie Herman Grimm
nicht?“