Das deutsche Drama
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Schiller, das aus der deutschen Natur hinausging, und das
eben war ihnen verhaßt. Das was Schillers Schwäche: seine
Abstraktheit, seine Rhetorik hoben sie mit geschäftigem Eifer
hervor; seine Kraft in der Struktur des Dramas verschwiegen
sie, sahen sie nicht oder wollten sie nicht sehen; das erschien
ihnen als etwas Wertloses. Denn ihr Bestreben ging darauf
hinaus, die deutsche Vergangenheit aus ihrem Innern heraus
wieder lebendig zu machen, nicht nur durch die Stoffe, die sie
aus der deutschen Geschichte nahmen, sondern auch durch die
Form, die eine ganz eigene, deutsche sein sollte. Eine solche
gab es aber noch gar nicht; sie mußten sich diese Form erst
selbst erfinden, und darum litten sie Schiffbruch. Denn es gab
unter den Romantikern geistreiche, sogar geistvolle Persönlich-
keiten, kritische Köpfe ersten Ranges, aber nicht eine einzige im
höchsten Sinne schaffende Kraft, vor allem nicht eine einzige,
die auf dramatischem Gebiet dem Dramatiker Schiller auch nur
das Wasser gereicht hätte. Dies alles fühlten sie instinktiv und
darum spielten sie zwei Trümpfe gegen ihn aus, mit denen sie
Schiller totzuschlagen glaubten: Shakespeare und Goethe. Und
beide Trümpfe wurden in ihren Händen zu Fehlschlägen.
Schillers Verhältnis zu Shakespeare habe ich bereits an—
gedeutet; aber es muß hinzugefügt werden, daß, so viel mäch—
tiger Shakespeare als Dichter ist, Schiller ihn in der Architektur
des Dramas unbedingt überragt. Goethe hingegen war viel
zu sehr der „große“ Goethe, als daß er sich als Keule gegen
den großen Schiller hätte mißbrauchen lassen. Zu den größten
Eigenschaften Goethes gehört es, daß er immer neidlos aner⸗
kannt hat, wie mächtig Schiller auch ihn in der Kraft, dramatische
Dichtung aufzubauen, überragt hat. So ergab sich als geradezu
giftige Frucht dieses bösartigen Treibens der Romantiker schließ—
lich nur dies, daß die beiden herrlichen Dichtergestalten, die
im Leben ein Freundschaftsverhältnis aufrecht erhalten hatten,
wie es schöner nie dagewesen ist, im Bewußtsein des deutschen