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Das deutsche Drama
Dramatikers Friedrich Schiller erklären. Vergleicht man den
dichterischen Gehalt der Schillerschen Dramen mit dem der
Shakespeareschen, so muß man zugestehen, daß er gegenüber der
greifbaren Körperlichkeit, der gesättigten Farbengewalt des Eng-
länders blaß, abstrakt und doktrinär ist. Das ist das deutsche
Element in ihm. Neben dieser Eigenschaft aber springt aus
denselben Dramen eine andere auf, die ganz und gar über die
deutsche Natur hinausgeht, die aus dieser, und darum eigentlich
überhaupt gar nicht erklärt werden kann, eine Begabung zum
Aufbau des Dramas, zur Führung der dramatischen Linie, die
ihn nicht nur ebenbürtig neben die griechischen und die größten
romanischen Dramatiker stellt, sondern die ihn geradezu einzig
erscheinen läßt. Wer sich davon überzeugen will, der lese auf—
merksam die Wallenstein-⸗Trilogie vom Anfang bis zu Ende
durch; die Art, wie hier der dramatische Faden gesetzt ist, wie
er geschlungen, weitergeführt und schließlich gelöst wird, ist be—
wunderungswert.
Bezeichnend für Deutschland aber ist es, daß, sobald die
mächtige Gestalt Schillers in die Erscheinung getreten war,
sogleich die andere, oben gekennzeichnete Eigenschaft der deutschen
Natur, die sich an die Stammesart anklammert, mit aller Ge—
walt sich gegen ihn aufbäumte. Dies geschah in dem Kampfe,
den die romantische Dichterschule gegen ihn eröffnete.
Dieser Kampf ist nicht nur bemerkenswert durch die leiden⸗
schaftliche Gehässigkeit, mit der er geführt ward, nicht nur
charakteristisch für seine Zeit, er ist typisch für Deutschland
überhaupt, weil er den Ringkampf zweier Naturgewalten in
einer und derselben Volksseele darstellt, weil er nicht mit Schiller
und den Romantikern aufgehört hat, sondern seitdem mit län—
geren oder kürzeren Ruhepausen fortgewütet hat und gerade in
unserer Zeit die ganze literarische Denkungs⸗ und Empfindungs-
weise Deutschlands wieder durchwühlt und zerfleischt.
Die Romantiker empfanden ganz genau das Element in