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Das deutsche Drama. Seine Entwicklung und sein gegenwärtiger Stand

Full text: Blätter vom Lebensbaum / Wildenbruch, Ernst von (Public Domain)

Das deutsche Drama 
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er vom deutschen Drama sprechen will!), darf 
von der deutschen Geschichte nicht schweigen, 
denn die dramatische Dichtung eines Volkes 
steht im organischen Zusammenhange mit 
seiner geschichtlichen Entwicklung. Natürlich 
ist hier und im ganzen ferneren Verlaufe dieser 
Abhandlung nur an wirkliche dramatische 
Kunst und deren Erzeugnisse, nicht an Theaterstücke gedacht, die, 
zur Ausfüllung eines Abends bestimmt, mit diesem vergehen. 
Für die Produkte dieser Gattung, die, solange es ein Theater— 
gewerbe in der Welt gibt, immer neben der Dramatik einher⸗ 
gelaufen sind, gilt kein Kunstgesetz, sondern nur die Marktfrage 
nach Angebot und Absatz. And ich erwähne dies, damit die— 
jenigen, denen meine Ansichten vielleicht zu individuell erscheinen, 
nicht aus dieser Art von Stücken, dieser sogenannten Dramatik, 
Einwendungen gegen mich hernehmen. 
Man kann darüber streiten, ob die bildende Kunst an ihre 
Nationalität gebunden sei, obgleich ich der Meinung bin und 
die Erfahrung es bestätigt, daß ein deutscher Maler immer 
anders malen wird als ein englischer oder französischer; man 
kann ebenso hinsichtlich der Musik streiten — unbestreitbar aber 
ist, daß die Dichtung national sein muß. Jedes lyrische Gedicht 
atmet die Seele seines heimatlichen Bodens; in jeder erzählenden 
Dichtung, wenn sie innerlich echt und wahr ist, sind die han— 
delnden Personen Landsleute des Dichters; und von allen Dich— 
tungsarten die nationalste, diejenige, die sich am wenigsten von 
dem Volke trennen läßt, in dem sie entsteht, ist die dramatische. 
1Pp 
) Es ist vielleicht nicht überflüssig daran zu erinnern, daß dieser 
Überblick über die Entwicklung des deutschen Dramas ursprünglich 
nicht für deutsche sondern amerikanische Leser geschrieben ist. Diese 
Einstellung erklärt manche Wendungen, erklärt vor allem auch die 
grade bei Wildenbruch sonst unbegreifliche Übergehung Heinrich von 
Kleists. A. d. H.
	        
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