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Full text: Blätter vom Lebensbaum / Wildenbruch, Ernst von (Public Domain)

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Marie Seebach 
Glieder, das Gerädertwerden? Alles nur ein Spuk und ein 
Traum?“ And nun ist das Anglaubliche dennoch wahr, das 
Unmögliche dennoch Tatsache geworden: Marie Seebach wird 
nie mehr auf der Bühne stehen. 
Wieder einmal hat der plump brutale Vorgang, den man 
„das Sterben“ nennt, einen seelenvoll plaudernden Mund zum 
Schweigen gebracht; wieder stehen wir vor der Frage, vor 
welcher der erste Mensch stand, als er zum erstenmal einen 
Nebenmenschen sterben sah: „Wie ist es möglich, daß das große 
Wunder der Welt, der menschliche Geist, aufgehoben und ver— 
nichtet wird durch das mechanische Ineinandergreifen unter— 
geordneter Mächte?“ 
Zum zweiten Male setze ich in dieser Zeitung das schwarze 
Kreuz hinter den Namen einer Frau, die mir teuer war, die 
mir gehört hat und nicht mehr gehört, und indem ich es tue, 
lausche ich auf und höre, wie es anfängt, stiller um mich zu 
werden, wie sie verstummen und verschwinden, die Großen, die 
Bedeutenden, die Menschen, die noch aus der ersten Hälfte un— 
seres Jahrhunderts stammten, in deren Seelen noch der große 
Hunger nach neuen Zielen, der große Glaube an deren Er—⸗ 
reichung war, die uns erhungert und erarbeitet und geschaffen 
haben das, was wir jetzt genießen, wir, das satte, übersättigte 
Geschlecht der zweiten Hälfte des fin de sieclo. 
Denn so wie jene erste, von der ich hier gesprochen, Frau 
von Olfers!), so hat auch diese zweite mir gehört, und daß ich 
sagen darf, wir waren gute Freunde, das ist mir in dieser 
Stunde ein wehmutsvoller Stolz. 
Nicht eine Abhandlung über das, was Marie Seebach als 
Schauspielerin war, will ich darum schreiben. Denn obschon 
ich sie noch oft, sogar in Gestalten meiner eigenen Stücke auf 
der Bühne gesehen, war doch der Ruhm ihrer jungen Taten 
) Vgl. oben S. 53ff.
	        
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