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Echo
nationalen Werkbesitze geschaltet und gewaltet wird; jedem seiner
Worte habe ich voll Wehmut und Stolz beigestimmt.
Voll Wehmut, weil ich mir sagen mußte, daß auch im
neuen Deutschland, im Deutschen Reich, das Verständnis für
diesen allerwichtigsten Gegenstand keineswegs der Größe der
Sache entspricht — voll Stolz, weil ich mich erinnerte, daß ich
schon im Beginn dieses Jahres, als ich das Verbot meines
„König Heinrich“ in Wien erfuhr, meine Gedanken über diesen
Vorgang ausgesprochen!) hatte, und weil ich mir sagen durfte,
daß ich mich in allen meinen Empfindungen mit dem trefflichen
Redner vom 30. November begegne.
Sei es mir vergönnt, da ich annehme, daß nicht alle Leser
dieser Zeitung das gelesen haben, was ich damals schrieb, aus
dem betreffenden Aufsatze den Passus hier anzuführen, in wel—
chem ich den Begriff des historischen Dramas, wie ich es auf—
fasse, auseinandergesetzt habe:
„Das historische Drama, insoferne es das echte und wahre
ist, insoferne es ein Bedürfnis des Volkes erfüllt, ihm die Ge—
stalten verkörpert, an denen seine Seele hängt, ihm die Begeben—
heiten lebendig macht, die wie Schatten und Sage unter ihm
umgehen, dieses historische Drama wird nicht von einem einzelnen
geschaffen; es entsteht durch ein Zusammenwirken von ver—
schiedenen Kräften. Und weil diese Kräfte elementarer Art sind,
so erzeugen sie ein elementares Werk. Werke dieser Art aber
tragen ihr Gesetz in sich selbst und wollen nach ihrer eigenen
Natur beurteilt und behandelt werden. Der Dichter gießt seine
Worte in die Form — die Form aber war ihm vorgezeichnet
von der Mythen bildenden Phantasie seines Volkes. Der Dichter
9 Im März 1896 wurde die Aufführung seines Dramas
„König Heinrich“ von der Stadthalterei in Wien verboten. Wilden⸗
bruch legte dagegen Verwahrung ein in einem in der Morgenaus⸗
gabe der National⸗Zeitung vom 26. März 1896 erschienenen Aufsatz:
„Deutsch-historische Dramatik“.