Das Heine-Denkmal
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einer Ansicht nach ist in der Sache alles gesagt.
Es handelt sich nicht mehr um Gründe und
Gegengründe, sondern um Empfindungen.
Aus meiner Empfindung heraus erfolgt
meine Antwort 9.
Ich bin ein Deutscher von stark ausge—
prägtem Nationalgefühl.
Mein Nationalgefühl ist aber nicht ein solches, daß es bei
der rechten Hosennaht anfängt um bei der linken zu enden, es
ist auch kein Kultus, kein Weihrauchschwingen vor einem Altar,
auf dem Germania in altgermanischer oder mittelalterlicher Tracht
paradiert, es ist Liebe. Und weil ich dem Grundsatze nicht hul—
dige, daß Liebe blind macht, bin ich nicht blind gegen die Schwächen
Deutschlands und gegen die Gefahren, die es bedrohen.
Zu diesen rechne ich vor allen den geistigen Pauperismus,
der sein Calibangesicht über Deutschland zu erheben beginnt.
Ich verstehe darunter die Verödung an Kopf und Herz, die sich
bei uns auszubreiten beginnt.
Den hauptsächlichen Grund zu dieser Erscheinung erblicke
ich in der von Tag zu Tag fortschreitenden Respektlosigkeit vor
dem Geiste und vor der geistig überlegenen Individualität.
VY Diese „Antwort“ ward eingeführt durch die nachfolgende redak⸗
tionelle Bemerkung: „Daß Heine in Düsseldorf zunächst kein Denk.
mal erhält, ist nach glorreichen Kämpfen von den Dunkelmännern
siegreich durchgesetzt worden. Das „goldene“ Mainz beschloß darauf,
sich selbst durch ein Monument des Dichters zu verschönen und zu
ehren; denn Heine selbst, dessen Werke in keinem gebildeten deut—
schen Haus fehlen können, bedarf solcher Auffrischung seines Ge—
dächtnisses nicht. Und nun beginnt man wiederum zu debattieren,
ob es denn recht und billig sei, was in Mainz geschehen soll. Auf
dieses erbauliche Schauspiel erlaubten wir uns Ernst von Wilden⸗
bruch hinzuweisen. Dieser Dichter, dem man sicher nachrühmen
kann, daß in seinen Werken heute der vaterländische Ton am kraft
vollsten erklingt, schreibt uns darauf“: