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Moralische Totschläge

Full text: Kunstkaufleute / Jellinek, Josef (Public Domain)

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Ihr selbst Euch um offene Stellen, die beim Verein angemeldet 
werden. Der Thüringer Kollege, der im Sommer zur Übung 
eingezogen wird, wollte den Kunz zu seiner Vertretung dort 
haben. Er schrieb ihm aber kürzlich, daß Ihr euch in einem 
chiffrierten Inserat honorarfrei offeriert und deshalb den 
Vorzug gehabt hättet! Wie mancher kranke Kollege, der wirklich 
erholungsbedürftig ist, hätte sich nach einer solchen Vertretung 
gesehnt, hätte Waldaufenthalt genossen und wäre mit einem klei— 
nen Gehalt zufrieden gewesen! Und Ihr, der Ihr's sogar 
angeblich nicht nötig habt, schlagt durch Euer honorarfreies 
Anbieten die armen Teufel alle aus dem Felde!“ 
„Ich wollte niemanden schädigen; Kunz kann meinetwegen 
noch hin!“ 
„Euch liegt ja doch nur daran, einmal wenigstens in 
der Tages presse gearbeitet zu haben! Habt Ihr denn übri— 
gens schon einmal im Redaktionsbetrieb einer Tageszeitung 
gestanden?“ 
„Nee!“ 
„Ebensowenig habt Ihr jemals einen Lokalbericht unter— 
gebracht, eine Recherche versucht, den Telephondienst versehen, 
auf der Parlamentstribüne gesessen, oder ein politisches Ressort 
verwaltet. Wer also der Ansicht ist, daß zur Leitung einer 
Fachschule, zum Vorsitzenden eines Fachvereins und zum Her⸗ 
ausgeber einer journalistischen Fachzeitschrift das eine gehört: 
daß man selbst etwas davon versteht, der wird belehrt, daß er 
irriger Meinung war!“ 
„Und mit Euch sitze ich noch da?“ 
„Ihr könnt ja gehen! Die Verjährung im Prozeß kommt 
morgen heraus —: Ihr braucht mich ja nicht mehr!“ 
„Wenn jemand so über Euch zu mir gesprochen hätte —: 
ich hätte ihm eine runtergehauen!“ beteuerte Lehmann bieder. 
„Den Journalisten“, fuhr Feininger fort, „geht es wie 
den Juden. Fällt einer von uns unangenehm auf, so heißt 
es auch gleich: Die! — Die Journalisten! — Begeht irgend 
ein Lehrer, ein Arzt, ein Offizier etwas Unrechtes, so wird
	        
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