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Zerrüttete Nerven

Full text: Kunstkaufleute / Jellinek, Josef (Public Domain)

297 — 
fänglich zu vermeiden, auf die Angelegenheit überhaupt einzu— 
gehen. 
Das Barett schief auf dem Kopf, saß er umhüllt von seiner 
Faustschaube malerisch vor dem Schreibtisch, im Polsterstuhl 
zurückgelehnt, hatte ein Bein auf den nebenstehenden Sessel 
gelegt und rauchte Zigaretten. 
„Jaa“, brachte er endlich in sehr schläfrigem Tone heraus, 
„seht einmal: ein Prozeß, das ist immer ein Lotteriespiel. Da 
kann man den Ausgang auch nie voraussehen; und es wird 
immer anders: das wissen wir Praktiker genau. Das Publi— 
kum hat nu aber mal die Prozeßwut!“ Er lachte überlegen. 
„Mag sein, ich muß aber schließlich zu meinem Recht 
kommen; ich kann mir doch das Brot nicht einfach vom Munde 
wegnehmen lassen, und da es eben keinen anderen Weg als 
den Prozeß gibt ..“ 
„Lieber Freund“, machte Lehmann mit unendlicher Über⸗ 
legenheit, „das ist nun einmal so in der Welt!“ Er schob ihm 
eine Schachtel Zigaretten hin. „Raucht doch!“ 
Feininger dankte und schob die Schachtel wieder zurück. 
Mit ungeheurem Wohlbehagen paffte der Dicke weiter, 
immer in burschikoser Haltung, nunmehr beide Füße auf dem 
Stuhl. 
„Wenn man einmal einen Prozeß anfängt, so muß man 
seiner Sache auch ganz sicher sein!“ Er sprach sehr langsam 
und gedehnt. „So habe ich es jetzt gemacht! — Ich sehe da 
unlängst in der Friedrichstraße in einem Papierladen ein Plakat: 
„Hundert Visitenkarten eine Mark zwanzig'. Na, ich gehe selbst— 
redend gleich rein und gebe dem Fräulein, wo da bediente, den 
Text auf.“ Ein höhnisches Lächeln überflog seine Bierbrauer— 
züge. „Also schreiben Se, sag' ich“ — er zählte die Zeilen an 
den Fingern —: „Doktor juris Ludwig Lehmann. — Schrift⸗ 
—DDDDDD 
Weltgeist.. — Erster Vorsitzender des „Allgemeinen Deutschen 
Journalisten-Bundes“‘. — Herausgeber des Fachblattes „Die
	        
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