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nun langsam über den ersehnten Kurfürstendamm. Aber das
war heute ein anderer Anblick! Statt der reinlichen Schneedecke
lag die Straße voll grauen Schmutzes, und die Felder boten
mit ihren verrotteten, dürren Grasstreifen und dem düsteren
Brachland einen trübseligen Anblick. Den Fahrdamm entlang
ratterten fortgesetzt Lastwagen mit Mauersteinen, Sand, Balken
und anderen Baumaterialien. Überall, in der ganzen Umgebung,
sah er die Neubauten. — Aber es war nichts mit der ersehnten
Stimmung.
Sein Ärger stieg. Auf einmal fiel ihm ein, daß er Frau
Witt versprochen hatte, sofort nach Beendigung des Termins
bei ihr vorzusprechen, um sie über den Ausfall zu unterrichten.
Jetzt war es schon zu spät; aber er wäre auch vorher
nicht hingegangen. Wozu auch? Die kleine Frau, die schon
allein genug zu tragen hat, noch mit seiner galligen Stimmung
quälen? Konnte er sie nicht erfreuen, belustigen —: niederdrücken
wollte er sie nicht! Doch wenn er sich auch vornähme, nicht
darüber zu reden: sie würde fragen. Und darum war es
wohl besser, jetzt allein zu bleiben.
Manchmal erregte ihn ihre Teilnahme. So hatte sie ihm
einen langen, gutgemeinten Trostbrief über die Vereitelung des
Neuen Theater“Projektes geschrieben. Diese stille Entsagung,
die sie selbst übte und auch von andern verlangte, empörte
ihn. „So feige will ich nicht sein!“ nahm er sich vor. „Das
hieße ja, sich ausrauben lassen und noch obendrein die Berechti—
gung solchen Raubes anerkennen! Nein, nie würde ich mich als
rechtloser Sklave der Bande, die mir das Blut aussaugt, füh—
len! Zertreten möchte ich das ganze gemeine Ungeziefer!
Dem Pinkus mit meinem Spazierstock ins Gesicht ...!“
Nach einigen Tagen ging Feininger zu Doktor Lehmann,
um mit ihm über den Prozeß und die Berufung, die er beab—
sichtigte, Rücksprache zu nehmen.
Lehmann hielt sich aber sehr reserviert und suchte es an—