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Zerrüttete Nerven

Full text: Kunstkaufleute / Jellinek, Josef (Public Domain)

296 — 
nun langsam über den ersehnten Kurfürstendamm. Aber das 
war heute ein anderer Anblick! Statt der reinlichen Schneedecke 
lag die Straße voll grauen Schmutzes, und die Felder boten 
mit ihren verrotteten, dürren Grasstreifen und dem düsteren 
Brachland einen trübseligen Anblick. Den Fahrdamm entlang 
ratterten fortgesetzt Lastwagen mit Mauersteinen, Sand, Balken 
und anderen Baumaterialien. Überall, in der ganzen Umgebung, 
sah er die Neubauten. — Aber es war nichts mit der ersehnten 
Stimmung. 
Sein Ärger stieg. Auf einmal fiel ihm ein, daß er Frau 
Witt versprochen hatte, sofort nach Beendigung des Termins 
bei ihr vorzusprechen, um sie über den Ausfall zu unterrichten. 
Jetzt war es schon zu spät; aber er wäre auch vorher 
nicht hingegangen. Wozu auch? Die kleine Frau, die schon 
allein genug zu tragen hat, noch mit seiner galligen Stimmung 
quälen? Konnte er sie nicht erfreuen, belustigen —: niederdrücken 
wollte er sie nicht! Doch wenn er sich auch vornähme, nicht 
darüber zu reden: sie würde fragen. Und darum war es 
wohl besser, jetzt allein zu bleiben. 
Manchmal erregte ihn ihre Teilnahme. So hatte sie ihm 
einen langen, gutgemeinten Trostbrief über die Vereitelung des 
Neuen Theater“Projektes geschrieben. Diese stille Entsagung, 
die sie selbst übte und auch von andern verlangte, empörte 
ihn. „So feige will ich nicht sein!“ nahm er sich vor. „Das 
hieße ja, sich ausrauben lassen und noch obendrein die Berechti— 
gung solchen Raubes anerkennen! Nein, nie würde ich mich als 
rechtloser Sklave der Bande, die mir das Blut aussaugt, füh— 
len! Zertreten möchte ich das ganze gemeine Ungeziefer! 
Dem Pinkus mit meinem Spazierstock ins Gesicht ...!“ 
Nach einigen Tagen ging Feininger zu Doktor Lehmann, 
um mit ihm über den Prozeß und die Berufung, die er beab— 
sichtigte, Rücksprache zu nehmen. 
Lehmann hielt sich aber sehr reserviert und suchte es an—
	        
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