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XXI

Full text: Die steile Stufe / Heilborn, Ernst (Public Domain)

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Straßen der Stadt. Nirgends, meinte sie, sei der 
Sommer so tröstlich wie zwischen Häusermauern, 
nirgends die Sonne so hell wie auf dem Straßen⸗ 
pflaster, wo sie vergeblich Leben zu wecken suche. 
Was war es groß, wenn sich da draußen irgendwo 
ein Baum in seiner grünen Pracht zum Himmel 
reckte? Aber daß sich jetzt inmitten dieses Häuser⸗ 
meeres die grauen Balkone mit Blumen schmück— 
ten, das schien ihr köstlich zu sein. 
Oder war dies Empfinden nicht einmal aus ihr 
heraus entstanden? War er es gewesen, der sie 
darauf aufmerksam gemacht hatte? Gleichviel! 
Sie empfand nun einmal so. Üüberhaupt war es 
geradezu wunderbar, in wie vielem sie beide eines 
Sinnes waren. 
Auch die Gefühle des Justizrats hatten — wenn 
dies überhaupt noch möglich war, was er selbst ge— 
wiß nicht zugegeben hätte — eine Steigerung er⸗— 
fahren. Nicht infolge jenes Handkusses, der ihm viel⸗ 
mehr nur peinlich gewesen war. Einmal, weil er 
derartiges in seinem Kavalierbewußtsein als un⸗ 
gehörig erachtete, sodann, weil es hätte gesehen 
werden können, und es sich an diesem Ort und zu 
dieser Stunde gewiß am allerwenigsten schickte. 
Nein! Diese Wandlung war ganz unvorhergesehen 
und auf ihm selber unbegreifliche Weise vor sich 
gegangen.
	        
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