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Finale

Full text: Kubinke / Hermann, Georg (Public Domain)

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Emil Kubinke war beglückt und las die Karte ganz 
heimlich immer wieder, sowie in der Arbeit eine Pause 
eintrat. Und wenn er nicht verlobt gewesen wäre, so wäre 
ihm vielleicht aufgefallen, daß Anfang und Nachschrift in 
Rechtschreibung und Inhalt sich merkwürdig von dem 
Mittelteil der Karte unterschieden, der keinerlei Schreib⸗ 
fehler aufwies in seiner gehobenen und schon mehr leiden⸗ 
schaftlich-schwungvollen Ausdrucksweise. Und noch mehr 
hätte es ihn befremden müssen, daß Pauline von „seiner‘ 
Abreise redete, da es doch ganz offensichtlich war, daß 
Pauline abgereist war, sogar nach Heringsdorf, während 
er doch nachweislich an Ort und Stelle geblieben war. 
Gewiß, das hätte ja Emil Kubinke auffallen können. Aber 
— wie schon bemerkt — Emil Kubinke war eben verlobt 
und verliebt, und das ist ziemlich gleichbedeutend mit ver— 
minderter Zurechnungsfähigkeit. 
„Zeijen Sie doch mal her, Kollege, was Ihre Liebste 
da jeschrieben hat,“ rief Herr Tesch. 
Und wenn Emil Kubinke auch sonst sehr scheu und 
verletzlich in seinen Gefühlen war, so reichte er doch diese 
Karte seinem Kollegen, Herrn Tesch, nicht ungern hin, denn 
warum sollte die Welt nicht wissen, wie hingebend er ge— 
liebt wurde. 
„Ach Jott — det kenn ick!“ sagte Herr Tesch lachend, 
„jenau desselbe haben sie mir ooch schon jeschrieben. Des 
ist aus 'n vollständijen Liebesbriefsteller. Det kann ick 
Ihnen jedruckt — schwarz auf weiß kann ick Ihnen det 
zeijen. Aber da hat sie sich noch versehen, da hat sie den 
falschen Brief jenommen, den nach der Abreise des Je— 
liebten. Ick sage Ihnen, det is jar nich so einfach, da 
immer das Richtije rauszufinden.“ 
Emil Kubinke war sehr niedergeschlagen.
	        
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