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sich nicht bieten. Und sie fuhr auf: was er von ihr
dächte; und wenn er so von ihr dächte, dann könne er sich
gleich 'ne andre suchen; wenn sie auch keine Bildung wie er
hätte, ein schlechtes Mädchen, das jeden Tag mit 'n Neuen
ginge, wäre sie deswegen noch lange nich. Und dann
könne sie ja nach Hause gehen, wenn er solchen Verdacht
gegen sie habe. „Wenn ich einen Menschen mal jern habe,
dann bin ich ihm auch treu.“
Und damit begann die rotblonde Pauline zu weinen
und schluchzte in die Dunkelheit, daß es sie nur so schüttelte.
Nun ist es ja Frauenart, daß die rotblonde Pauline
von all dem, was Emil Kubinke da sich von der Seele
geredet hatte, nur ein Wort verstanden hatte, und dieses
eine Wort betraf nicht ihn, sondern sie. Und dieses eine
Wort hatte sie nach Frauenart auch noch falsch verstanden.
Aber es ist auch ebenso Frauenart, daß die rotblonde Pau—
line unbewußt von allen Wegen den kürzesten nahm und
mit ihren Tränen schnurgrade auf das Herz Emil Kubinkes
losmarschierte und alles niederlegte, was da irgendwie
noch im Wege stand. ...
Und wie der Fischer sein Netz anzieht und die
Bahnen immer näher zu einander bringt und den Raum
kleiner werden läßt, bis die Maschen sich über den zappeln—
den Fischen zusammenschließen, so hatte auch die Nacht
indessen ihr Netz immer enger um die beiden gezogen, und
von Sekunde zu Sekunde glitten die Maschen mehr zu—
sammen. Noch tauchten drüben ein paar Baumstämme
auf, noch flimmerte von unten die Wasserfläche mit sprin—
genden Funken matt empor, noch trennten sich oben die
Wipfel vom dunklen Himmel, auf dessen Grund ein paar
Sterne zitterten; aber ein Funke nach dem andern erlosch,
ein Stamm nach dem andern schwand und schwand.