mich bis zu Tränen. Noch vor wenigen Ta—
gen, als ich vormittags in der hellen und fast
menschenleeren Bibliothek saß und statt zu
lesen Gedanken nachhing, überkam mich diese
Empfindung fast wie ein plötzlicher physischer
Schmerz, wie ein Zahnreißen, bohrend, häm—
mernd, peinigend. Und doch bietet uns das
Reisen nie das, was wir davon erwarten.
Ich rede nicht von Mißhelligkeiten, Strapazen,
von schlechtem Wetter, ungewohntem Essen,
feuchten Betten oder gesalzenen Preisen —
das sind Dinge von geringer Bedeutung, die
uns auf Minuten oder Stunden die Laune
verschlagen können. Nein, es ist eine andere
tiefere Enttäuschung, die das Reisen mit sich
bringt, das Reisen, wie ich es verstehe. Denn
ich mag nicht reisen, um mich irgendwo zu er—
holen, mich ruhig hinzusetzen, auszuspannen,
neue Kräfte zu sammeln. Ich suche alte
Städte oder modernes Leben auf, um dort zu
sehen, zu lernen, mich anzuregen, zu bewun—
dern. Ich habe meine Freude an alten Bau—
werken und schönen Bildern, an Landschaften,
Wäldern, malerischen Straßen kleiner Städt—
chen. Ich bin nicht stumpf den Eindrücken
gegenüber; und doch das freie, entlastende
Aufatmen, das ich durch sie mir erhoffe, es
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