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weise nicht verantwortlich gewesen. Seit damals
trug er den Nimbus des Gentlemanmörders.
Was wirkte nun mehr auf die Frauen, der Selbst-
mörder oder der Mörder? Zeder der beiden sah
jetzt Frau Hollmann mit schwimmenden Augen
an, aber sie kannte schon beide Geschichten, und
sie hatte keine Lust, sie sich heute noch einmal
erzählen zu lassen. Wenn sie aber trotzdem in
geschickter Weise beide Nebenbuhler an sich fesselte,
so geschah dies, weil sie glaubte, daß die beiden
blassen Männerköpfe ihr gut zu Gesicht stünden.
Sehr viele kluge Frauen benutzen die Männer
nur als Rahmen, um sich zur Geltung zu bringen,
oder als Hintergrund, um sich davon abzuheben.
Frau Hollmann gab aus diesem Grunde ihre
Trabanten nicht frei. Sie saß unter der grünen
Ampel, und die beiden Herren saßen auf niedrigen
Schemeln, rechts und links neben ihr. Die eine
Hälfte ihres Gesichts war von der Ampel grün
beleuchtet, auf die andere fiel der rosige Schein
aus dem Salon. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel,
den sie mit den Augen erreichen konnte, gab ihr
die angenehme Genugtuung, daß die doppelte
Beleuchtung geradezu lasterhaft aussah.
Die drei im Wintergarten waren sehr schweig—
sam. Coßmann sprach nie viel, und Röohl ärgerte
sich über Coßmanns Gegenwart. Frau Hollmann
aber war überzeugt, am dämonischesten zu wirken,
wenn sie nur in Gedankenstrichen, Ausrufungs-
zeichen und Fragezeichen sprach.
„Hören Sie nur,“ sagte jetzt Coßmann, „wie
Herr Paul Günther da eben lacht. Es gibt doch
Menschen, die von der Tragik des Daseins gar
keine Ahnung haben.“