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Zweites Kapitel

Full text: Unter Zigeunern / Zur Megede, Johann Richard (Public Domain)

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man sich vor der erniedrigenden Gemeinschaft mit 
diesen gewöhnlichen Menschen. Was habe ich denn ge— 
than? Wer haftet denn für die Sünden seiner Väter?“ 
Er stieß es rauh hervor mit immer lauter wer— 
dender Stimme, daß der Papagei im Nebenzimmer 
erwachte und das einzige Wort, was Frau Lo ihm 
beigebracht hatte, kreischend wiederholte: „Betrunkener 
Kerl! Betrunkener Kerl!“ 
Er hörte es nicht. „Zuletzt blieb mir die Schrift⸗ 
stellerei übrig. Ich bin bei Gott nicht freiwillig 
unter die Litteraten gegangen. Meine Begabung? — 
Gnädige Frau, ich habe lichte Augenblicke, wo sie 
mir sehr kümmerlich erscheint.“ 
Sie schwieg, hatte kein Wort des Trostes für 
ihn, dessen gutmütiges Gesicht wie unter dem brennen⸗ 
den Stich einer Sonde zuckte. Salonphrasen, eine 
nichtssagende Ermutigung hätte sie für jeden parat 
gehabt. Aber nun kam der ihr so ... nicht Graf, 
nicht Phrasenheld, nur Mensch! 
Und sie, die von Jugend auf gewöhnt war, alle 
ihre Empfindungen anmutig mit der glatten Salon⸗ 
lüge zu verschleiern, fand für diese wirkliche Erregung 
ihres Herzens keinen wahren Ausdruck. Und als 
sie es endlich herausbrachte, ihr nüchternes: „Da 
sind Sie ja sehr zu beklagen!“ klang das so un— 
gelenk und komisch wie das „Beirunkener Kerl!“ des 
bunten Vogels vorhin.
	        
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