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Heimat und Vorfahren 6. Dr. Benjamin von Bergmann, Pastor zu Rujen

Full text: Ernst von Bergmann / Buchholtz, Arend (Public Domain)

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Dr. Benjamin v. Bergmann. 
Dieses Leben in den Wolgasteppen entschied über Benjamins 
nächste Jahre: er lernte damals den mongolischen Nomadenstamm 
der Kalmücken, dessen Sprache, Religion, Sitten und Bräuche kennen, 
und ihre gründliche Erforschung nahm ihn bis zu seiner Rückkehr nach 
Livland in Anspruch. Inzwischen aber machte er auch mit dem General 
Lunin schlimme Erfahrungen, die ihn seine Stellung aufzugeben nötigten. 
Erst das dritte Moskauer Haus, in das er kam, bot ihm ein angenehmes 
und behagliches Leben unter gebildeten, liebenswürdigen und an⸗ 
ständigen Leuten. Keine Mittel wurden gescheut, den einzigen Sohn 
der Familie, einen musikalisch reich veranlagten Knaben, in Kunst und 
Wissenschaft zu fördern. Drei Hofmeister, mehrere Stundenlehrer 
und ein Orchester von dreißig bis vierzig Musikern bildeten den Apparat 
dazu. Nikolai Gontscharow ist später ein in Rußland bekannter Musiker 
und ausgezeichneter Violoncellspieler geworden; eine Tochter von ihm 
heiratete den Dichter Puschkin. Weit über die Zeit hinaus, die Ben— 
jamin im Gontscharowschen Hause verlebt hat, ist er zu seinem ein— 
stigen Schüler in freundschaftlichen Beziehungen und im Briefwechsel 
geblieben. 
Aber das bequeme Leben in dem vornehmen Hause, wo er wie ein 
guter Freund behandelt wurde, lenkte ihn doch nicht davon ab, seine 
auf die Erforschung der Kalmücken gerichteten Pläne auch noch weiter 
rührig zu betreiben. Nachdem ihm geglückt war, eine Geldunterstützung 
aus der kaiserlichen Schatulle zu erhalten, trat er im Februar 1802 
nochmals die beschwerliche Reise an die untere Wolga an. Es wurde 
Tag und Nacht gereist, unter mancherlei Lebensgefahren, bis endlich 
Sarepta erreicht war. Von dort ging es weiter in die Steppe zu seinen 
nomadischen Freunden, unter denen er von da ab fünfzehn Monate 
gelebt hat, mit wechselndem Aufenthalt, Nahrung und Trank der Kal⸗ 
mücken teilend, ohne daß ihn die Hindernisse des Steppenlebens 
schreckten: im Winter lebte er in einer zerlöcherten Hütte ohne Schutz 
und die geringste Bequemlichkeit, ohne warme Stiefel und nur mit 
wenig warmen Kleidern, und doch fühlte er sich so wohl. als wenn er 
zwanzig Jahre jünger geworden wäre. 
Die Verständigung mit den Nomaden fiel ihm nicht schwer, da er 
das Mongolische beherrschte. Mit zähem Fleiß drang er immer tiefer 
in ihr Volkstum ein. „Die Erweiterung der Menschenkunde ist das 
große Ziel, nach dem ich strebe“, schrieb er seinem Vater. Die Religion, 
die Sprache, die Lebensweise und die Geschichte des Volksstamms 
wollte er ergründen, um sich durch seine Arbeiten den Weg zu einer 
ausschließlich wissenschaftlichen Tätigkeit und einer Lebensstellung, am 
liebsten an der Petersburger Akademie der Wissenschaften, zu bahnen. 
Aber da waren es gerade die maßgebenden Petersburger Stellen, 
die zu seinen Bitten um eine nochmalige bescheidene Unterstützung
	        
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