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Neunzehntes Kapitel

Full text: Unter Zigeunern / Zur Megede, Johann Richard (Public Domain)

352 — 
„Geh doch nach Haus, du bist dünn angezogen,“ 
mahnte mitleidig Marie Ellers. 
„Bei uns unten is es voch nich wärmer und 
so naß. Ick schliddere hier noch so 'n bisken. 
In den nächsten Dagen fängt ooch die Schlittschuh— 
bahn uf 'n Kanal an, det seh' ick zu jerne, wenn sie 
so schnell hinrutschen.“ 
Marie wurde das Auge feucht. Es war eine 
unbeabsichtigte, grausige Ironie in dem jugend— 
frohen Wollen des Kindes und dem siechen, alten 
Körper. 
„Da nimm, mein Kind!“ Sie zog den letzten 
Thaler aus dem Portemonnaie und hielt ihn der 
Kleinen hin, die ihn mit den Augen verschlang und 
doch wieder mit in den Mund gestecktem Finger ihn 
zu nehmen sich genierte. „Nimm, nimm!“ Marie 
wandte sich schnell ab. Eine jener vagen Aehnlich— 
keiten in Kindergesichtern erinnerte sie an ihr Stief⸗ 
töchterchen. Es war Wermut in den Todeskelch. 
„Ich könnte sie nicht wiedersehen. — Eine solche 
Mutter!“ Der Entschluß zu sterben ward ihr felsen⸗ 
fest. Der Graf kam ihr nachgeeilt, lachend. 
„Ich habe dem Hunde und dem Jungen noch zu 
einer Weihnachtsfreude verholfen. Hörst du?“ Eilig 
ratterte das Hundefuhrwerk durch die Straße, der 
Junge pfiff, der Hund bellte freudig, als ob er 
gewußt hätte, daß auch für ihn eine Extraration
	        
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