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Fünftes Kapitel

Full text: Unter Zigeunern / Zur Megede, Johann Richard (Public Domain)

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Marie Ellers atmete auf, als Lerden endlich die 
Tafel aufhob. Sie wäre gern dem üblichen Hand⸗ 
druck entgangen. Heute dünkte er ihr eine harte 
Probe. Und sie kamen alle; die einen mit wein— 
selig glänzenden Augen und heißen Händen, andre 
blaß mit kühlen, schlanken Fingern. Es rieselte ihr 
kalt durch den Körper. In jeder Berührung schien 
ihr ein frecher Wunsch zu liegen. Mit Widerwillen 
fühlte sie den feuchten, faunischen Kuß ihres Gatten 
auf dem Nacken brennen. Doch erst als die schmale, 
eiskalte Hand Lerdens sich in die ihre legte und ein 
kühl lächelnder Mund sich darauf herabbeugte, beschlich 
sie eine Ahnung kommenden Unheils. 
„Eine wunderschöne Nacht!“ 
„Schwül!“ 
Der Graf und die Professorin standen auf dem 
Kiesplatz am Kiosk. Es war der höchste Punkt des 
Parks; und man konnte weit hinaussehen in die 
märkische Ebene. Sie waren allein, zufällig hierher— 
gekommen, weil jedes, seinen eignen Gedanken nach— 
hängend. die weinlustige Menge mied. In den 
halbdunkeln Gängen hörte man verhaltenes Kichern, 
flüsternde Zwiegespräche, zuweilen ein lautes Witz- 
wort im höchsten Berlinisch. Heiser, berauschender 
Wohlgeruch sirömte aus den Jasminbüschen und
	        
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