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III. Buch. Reif sein. 1895

Full text: Moderne Menschen / Meissner, Franz Hermann (Public Domain)

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— In der Burgstraße aber war es um diese Stunde 
Schon lange still und dunkel in den Schlafzimmern, Nur 
der Regen spülte und gurgelte in den Hof hinunter und 
rieselte gegen die Fensterscheiben. Zwei heiße Augen lagen 
in dem einen Zimmer noch wach und starrien aus den 
weißen Kissen in die Dunkelheit hinein. Aus dem Weihe- 
Kesang war es geflossen ... „Winterstürme wichen dem 
Wonnemond!“ , . . Bilder waren aufgetaucht von dem nacht- 
dämmernden Hof bei der Esche an Hundings Haus und 
von dem Blick in die nächtliche Lenzpracht des Waldes 
durch die aufspringende Tür . . . über ihre unerfüllte Jugend 
in der Witwenkemenate war ein unwiderstehliches Verlangen 
nach dem Leben gekommen. Und dann hatte sie neben dem 
Bettchen ihres schlafenden Knaben gestanden, der Fleisch 
von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blut war. Der 
Schimmer der Nachtlampe fiel auf das rosige Gesichtchen. 
Lange hatte sie darauf geschaut ... ein Schauer über- 
rieselte sie... einen leisen Kuß hatte sie auf die Wange 
gedrückt, — es war wie ein Schwur., 
Frühlingsbotschaft fühlte sie brennend aus dem rau- 
Schenden Regen heraus. Eine quälende Pein und eine 
Siedende Scham stiegen in ihr auf, ob. sie auch stark genug 
Sein würde, allein zu bleiben, wenn kein Würdiger kam, 
sie zu freien. Ein Mann mußte es sein, zu dem sie in 
Bewunderung aufschauen durfte ... der ihren Knaben 
liebte und ein Hort für ihn wäre, Ein Gesicht zog an ihrem 
Grübeln vorüber, Auf einem großen Wandbild hatte sie 
e8 im Pantheon zu Paris oder in der Berliner Galerie ge- 
sehen, von Puvis de Chavanne oder von Cornelius ... 
einen Wanderer in wallendem Gewand, mit großem Pilger- 
hut und langem Stecken in der Hand. Aus dem Wald trat 
er auf die Hügelkuppe und streckte feierlich weisend die 
Hand nach der Ebene aus, während der Knabe an seinem 
Arm hing und in zärtlicher Neigung und Begeisterung 
zu ihm aufblickte, Jetzt wußte sie: so sollte der Mann 
sein, — stark und untadelig an Körper, Seele und Geist, 
— ein Auserwählter, in dessen Hände sie ihr und ihres
	        
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