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meidliche Prise Schnupftabak an. — „Woll, Diskontogesell-
schaft,“ schmunzelte der andere pfiffig, greift in die Tabaks-
dose und holt vorsorglicherweise gleich das ebenso unver-
meidliche rotkarierte Schnupftuch heraus, Seit dreißig
Jahren sehen sie sich iäglich auf den Abrechnungsstellen
mehrmals; den Namen des anderen kennt keiner. Sie sind
die Würde, die Zuverlässigkeit, die joviale Laune in Person.
Unfehlbar aber stehen sie stets mit einer Person auf dem
offenen oder versteckten Kriegsfuß. Das ist der Lehrling
oder junge Buchhalter, der in ihrem Geschäft die Portokasse
führt: ihn zu bemogeln oder in kleinen Beträgen zu bemopsen
halten sie für erlaubte Kriegslist und sogar für Ehren-
sache. —
Dieser seltsam-heimliche Hauch von altväterischer Vor-
nehmheit schwebte auch über den Nebenstraßen des Platzes.
Man empfand ihn, wenn man von ihm aus in die Jägerstraße,
und zwar dort einbog, wo an den Ecken rechts das alte
Seehandlungsgebäude, links die Lotteriedirektion sich be-
fanden. Die letztere wirkte mit ihrem verblichenen braunen
Anstrich und den durch Halbvorhänge verdeckten Fenstern,
hinter deren meist schmutzigen Scheiben nie ein Mensch
zu sehen war, wie ein Spukhaus: nie ging jemand in die
geschlossene Haustür hinein, nie kam irgendwer heraus,
weder mit noch ohne großes Los.
Neben dem Lotteriegebäude in der Jägerstraße lag da-
mals auch so ein kleines, vornehmes, vier Fenster breites
Haus aus alter Zeit. Die Fassade war schon erneuert, der
Treppenaufgang an der Straße nicht. Er war auffällig
breit, so daß man von ihm in das eine der drei Erdgeschoß-
fenster blicken konnte. Am Flureingang befand sich ein
kleines schwarzes Schild mit verblichenen Goldbuchstaben
und altertümlichen Schriftzügen. Es mochte bei der Grün-
dung der Firma vor sechzig bis siebzig Jahren angebracht
sein. Fast wirkte es ein wenig gesucht. „Korff & Sohn,
Bankgeschäft“ las man. Das Geschäft befand sich im Erd-
geschoß, und man trat im Hintergrunde des Flurs neben
der Haustreppe. durch eine Glastür in dieses ein; im