Lisas Brautfahrt
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Bunde, der mit ihnen nach Ostende fahren sollte,
noch immer nicht gefunden war. Überall — vom
südlichen Zipfel der Apenninen über das liebliche
Salzkammergut hinweg, bis in das grüne Dunkel
der böhmischen Wälder — hatte sich dasselbe Stück
wiederholt. Überall hatte die freundlich vornehme
Art des älteren Herrn und die ruhige Schönheit seiner
klugen und liebenswürdigen Nichte den günstigsten
Eindruck gemacht. Man rechnete es sich zur Ehre
an, in ihrer angenehmen Gesellschaft verkehren zu
dürfen. Die jungen Herren überboten sich in Artig ⸗
keiten der eleganten Baroneß Lisa gegenüber und
ließen sich auf einsamen Spaziergängen durch den
Wald die günstige Gelegenheit zu anmutigen Tän⸗
deleien, die sich allmählig sogar zu gefühloollerem
Ernste zu steigern schienen, nicht entgehen. Sobald
aber Lisa Anstalten machte, diesen vorgespiegelten
Ernst wirklich etwas ernster zu nehmen, konnte es
ihr nicht entgehen, daß die Stimmung der reizenden
jungen Leute alsbald umschlug. Die reizenden
jungen Leute hatten eben nicht den Ehrgeiz, über
die äußerste Grenze des üblichen Sommerflirts hin
auszugehen.
Lisa lächelte; aber es überkam sie doch eine etwas
angesäuerte NRegung, wenn sie beobachtete, wie die⸗
selben reizenden jungen Leute im Kurmachen eine
oiel bedeutendere Standhaftigkeit verheirateten jungen