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arbeitsscheue Patron war es ja gewesen, der Merk verführt
hatte. Ida ballte die Faust, und etwas wie ein leiser Fluch
entfuhr ihren Lippen. Sie liebte keine Zänkereien, aber
bei Gelegenheit wollte sie diesem Generalbummlet doch
gründlich die Wahrheit sagen.
Am Ende dachte sie wieder an die grauenhafte Zukunft,
die sie hohnlächelnder als je inmitten hrer ärmlichen Woh⸗
nung angrinste. Wer wußte, wann Merk wieder Arbeit
bekam, um die Erhaltung der Familie aufs neue allein zu
tragen? Sie plagie und schindete sich ja nach Kräften, aber
auf die Dauer glaubte sie das nicht mehr ertragen zu können.
UÜberdies mußte ihr Arbeitgehen auf ganz natürlichem
Wege ein Ende nehmen. Sie ging guter Hoffnung ent⸗
gegen, und die Zeit nahte immer mehr heran, während
welcher sie sich schonen mußte.
Ihre einzige Freundin blieb nach wie vor Frau Schwarz.
Die Mäntelnäherin verbrachte jeden Abend mit ihren
Kindern ein paar Stunden bei Ida, wo sich die beiden
Frauen gegenseitig ihr Herz ausschütteten und gemein⸗
schaftlich ihren Kaffee iranken. Die jüngeren Kinder trieben
dann allerhand Unsinn, während Magda in der Küche bei
spärlichem Licht neben Oskar saß, der ihr wunderbare Ge⸗
schichten erzählte. Zu ihnen gesellte sich gewöhnlich dann
Franz, um seine neuesten Zeichnungen zu zeigen. Floras
Marie und Idas Anna aber unterhielten sich in der Nähe
des Ofens mit einer Puppe, welcher der Kopf fehlte.
Einmal hatte Oskar wieder wie gewöhnlich Merks
Tochter eine seiner abenteuerlichen Geschichten erzählt, die
Magda ganz besonders gefiel. Sie schien ihr außerordent⸗
lich schnurrig. Ein großer Sandberg kam in ihr vor, in
den zwei arme Kinder eine große Höhle gegraben hatten,
um sich in ihr aus Holz und Steinen einen Palast zu bauen,
den sie später, wenn sie größer werden würden, gern be—
sitzen wollten. Aber der Regen kam und vernichtete alles
wieder. Und sie bauten immer aufs neue, um ihr Kunst⸗
werk doch nur dem alten Schicksal erliegen zu sehen.
Dabei wurden sie älter und immer älter, und schließlich