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bereits dumm gelesen, und schlossen das aus des Mädchens
halb stumpfsinniger Gleichgültigkeit gegen alles, was ihre
Familie betraf. Trotzdem mehrten fich im Innern Rofas
Verschmitztheit und Raffiniertheit.
„Diese Kröte, die Magda,“ zog sie nur zu gern in das
Reich ihrer Unterhaltung mit der Alten. Es war etwas wie
instinktiver Haß, der sie bei jeder Gelegenheit leitete, gegen
Merks Tochter Gift und Galle auszuspritzen. Dieses Frauen⸗
zimmer bildete sich denn doch zu viel auf seine bessere Klei⸗
dung ein und hob vielleicht gerade deswegen den Kopf
so hoch, weil es nicht tagtäglich seine Tracht Prügel bekam,
wie sie, Rosa, von ihrem nie nüchternen Vater.
Jakobs Tochter hetzte also nach Kräften. „Gewiß, Frau
Knabe,“ sagte sie, „die Kröte hat ebensoviel Schuld an
dem Tode des Kindes, als ihr Vater. Kaulmann hat es
mir erzählt, daß sie beim Weggehen gerade Merk traf, als
er mit meinem Vater zu Zipfel heruntergehen wollte. Sie
hätte ihm den Schlüssel einfach geben sollen oder nicht eher
ruhen, bis Merk hinaufgegangen wäre. Zu was wohnen
wir denn eine Treppe höher? Sie hätte sich die Beine nicht
abgetreten, wenn sie zu mir gekommen wäre! Man sollte
einfach den Stock nehmen und sie gehörig durchwalken,
daß sie Striemen bekäme. So ein eingebildetes Ding.“
Frau Knabe hörte Dinge, die gerade für ihr Mundwerk
geschaffen waren. Am anderen Tage wußte die ganze Nach⸗
barschaft rechts und links, oben und unten, in und außer
dem Hause, wie die Geschichte sich eigentlich zugetragen
habe. Die Polizei wurde aufmerksam, und Merk wurde in
eine Untersuchung gezogen. Nach vier Wochen bekam er eine
Anklage wegen fahrlässiger Tötung eines Menschen. Es
wurde erwiesen, daß er durch seine Tochter erfahren habe,
daß die beiden Kinder allein beim Feuer im eisernen Ofen
in der Stube sich befunden hätten, daß Magda ihm bei
ihrem Weggange auf der Straße begegnet sei und ihm dies
gesagt habe; daß er nichtsdestoweniger mit Ludwig Jakob
nach der Budike hinuntergestiegen sei, um zu zechen, wäh⸗
cend oben sein Kind halb verbrannte. Die Schuld wurde