24
Häßlichkeit und Alter sie von der Straße verschwinden
ließen. „Wie —? !... Was —?!“ schrie sie dann dreis,
viermal hintereinander, um sich den Anschein zu geben,
als verstünde sie das Gesagte erst nach mehrmaligen Wieder⸗
holungen. Dabei spitzte sie die Ohren, und mit einem
langgedehnten, So —o —o —?“, begleitet von einem Kopf⸗
schütteln, trieb sie die Verstellungskunst bis auf die Spitze.
Was sie selbst nicht erfuhr, trug ihr Rosa regelmäßig
des Nachmittags zu. Sie zeigte dann ein ganz anderes
Aussehen, ließ das „Wie?“ und „Was?“ beiseite und
hörte jedes Wort. Dann kam all jene versteckte Gemein⸗
heit zum Vorschein, die eine Sünderin selbst im Greisen⸗
alter nicht zu verbergen vermag. Das war doch ein vor⸗
treffliches Mädchen, diese Rosa, die viel zu schade war,
sich tagtäglich von einem betrunkenen Vater roh behandeln
zu lassen, und ihre schöne knospende Gestalt unter Lumpen
zu verbergen. Die mußte man sich halten, wenn die
Pläne, die man verfolgte, verwirklicht werden sollten.
„Trink' doch noch ein Täßchen Kaffee, Kind... Nicht
wahr, eine Butterstulle ißt du auch noch?“ hieß es dann,
weil die Alte wußte, daß nichts mehr zur augenblicklichen
Dankbarkeit verpflichtete, als die Füllung eines leeren
Magens. Rosa fiel dann heißhungrig über Kaffee und Brot
her und kramte ihre Neuigkeiten aus. Hier hatte sie doch
wenigstens ein Heim, konnte sich weidlich rächen für die
Unbill in ihrer eigenen Familie. Am schlechtesten kam dabei
das jüngste Geschwisterchen weg, mit dem sie sich schleppen
mußte.
„Na, sei still, dumme Trine,“ sagte sie bei jeder unange⸗
nehmenRegung des unschuldigen Geschöpfes, undbehandelte
es wie einen Haufen bunter Flicken. „Nicht mal ruhig
lesen läßt mich so eine ungezogene Jöre, da ist doch diese
Kröte, die Magda, jetzt besser dran.“ Dann beugte sie sich
wieder über das gelbe Heft des Kolportage-Romans und
weidete sich an jeder neuen Kapitelüberschrift, die ihr die
grausigsten und aufregendsten Dinge versprach. Die
Zeute im Hause behaupteten, sie habe sich an all dem Zeug