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und zitterten vor Frost. Der Totengräber zeigte noch
immer seine gleichgültige Miene und verrichtete die letzte
Arbeit. Er warf keinen Hügel auf, machte den Erdboden
mit der Schaufel glatt und steckte zur Kennzeichnung des
Platzes, wo ein Kind der Armen gebettet war, den schwar⸗
zen Stab in die lose Erde.
Dann sagte er wieder kurz, mürrisch gemacht durch das
häßliche Wetter: „Bitte zu merken: zweiundvierzigste Reihe
Nummer acht. Wenn sie einen Hügel aufgeworfen haben
wollen, so bitte, das zu melden, es kostet drei Mark Grab⸗
gebühren.“
Er hob die Laterne auf, warf die Schaufel über die
Schulter und wollte gehen, als in dem Dunkel vier Ge—
stalten auftauchten, die dem Licht der Laterne zuge—
schritten kamen. Es waren Herr Sängerkrug, Fräulein
Dorchen, Frau Schwarz und ihr Sohn, die in einer von
Emanuel bezahlten Droschke soeben angelangt waren, um
Merks den Beweis zu geben, daß man ihrer gedachte.
Unterwegs hatte man einige Kränze gekauft.
Das war eine Überraschung, die der Eisendreher und
seine Frau nicht erwartet hatten. Der Komiker zeigte eine
so feierliche Miene, wie sie ihm Frau Zierling niemals
zugetraut haben würde. Er warf einen großen Immor—⸗
tellenkranz auf die geschlossene Gruft und stand mit ge—
senkten Augen eine Weile stumm auf einem Fleck. Dann
wandte er sich an Merks: „Trösten Sie sich, meine Lieben,“
sagte er mit bewegter Stimme. „Das ist das beste am Tode
dieses Kindes, daß es in einem Alter starb, wo es seiner
Existenz noch nicht bewußt war. Denken sie so: Gott hat
es gegeben, Gott hat es genommen.“
Er schlug den Rockkragen in die Höhe, trat dann auf
den Totengräber zu und drückte ihm etwas in die Hand,
wobei man zum ersten Mal Gelegenheit hatte, den Mann
eine höfliche Verbeugung machen zu sehen.
„Man muß sich an den Alten holten,“ dachte Sänger⸗
krug bei fich, „wer weiß, ob man es nicht seiner Liebens⸗