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könne sich immer Zeit nehmen, wenn ihr nur die Stunde
bestimmt werden würde.
Das innigste Mitgefühl zeigte Frau Schwarz. Sie
hätte am liebsten den ganzen Tag bei Ida sein mögen,
um sie zu trösten. Hinter ihr stand immer ihr Sohn Oskar,
der scheu auf den einfachen Sarg blickte. Es war ein
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erstanden hatte. Die Beerdigung machte dem Ehepaar
viel Sorge. Die Lage Merks gestattete nicht, große Be—
gräbniskosten zu erschwingen. Sie hinderte ihn sogar,
einen Wagen zu nehmen, um die Leiche zu befördern.
In seiner völligen Trostlosigkeit hatte der Eisendreher sich
an die Armenkommission gewandt, damit sein Kind einen
unentgeltlichen Platz auf dem Gemeindekirchhof bekäme.
Wenn die Dunkelheit benutzt wurde, so konnte man
ohne großes Aufsehen das Kindchen selbst zur letzten Ruhe
bringen. Es war zwar ein weiter Weg nach der Frieden—
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lassen. Die Eheleute kamen überein, in aller Stille am
Abend den schweren Gang zu tun. Merks verbaten sich jede
Begleitung, dankten für die große Teilnahme, weigerten
sich aber, Tag und Stunde der Beerdigung anzugeben.
Nur die Mäntelnäherin wurde in die Familienangelegen—
heiten eingeweiht.
Du mein Gott, das war ein Gang zum Kirchhof, wie
ihn nur die Dämmerstunde der äußersten Vorstadt kannte.
Auf den Frost war plötzlich Tauwetter gefolgt. Der Schnee
hatte sich in Schmutz verwandelt und bedeckte die Straßen
und Plätze. Es war 5 Uhr Nachmittags, die Dunkelheit
war eingetreten, als vom Hinterhause aus der Leichen—
zug begann. Merk nahm ein Tuch, wickelte es wie ein Band
zusammen, und knüpfte den kleinen Sarg um seine Schul⸗
tern, um so die Last unter dem Arm zu erleichtern. Dann
stieg er langsam die dunkle Treppe hinab. Hinter ihm
folgte Ida; dann kamen die Kinder. Frau Merk leuchtete
mit einer Küchenlampe, die sie, unten angelangt, aus—
Böschte und hinter die Haustür stellte. Im Hause, wußte